Die Genesung von der gerade in bürgerlichen Kreise verbreiteten Infektion Morbus Opportunisti ist hart, langwierig und zuweilen von Rückschlägen begleitet.

Die Union in Deutschland beispielsweise versucht sich derzeit mit einem neuen Grundsatzprogramm selbst zu therapieren. Atomausstieg, offene Migrationstüren für Deutschland, Abschaffung der Wehrpflicht… Das Grundsatz-Rezept verordnet der CDU eine strikte Merkel-Diät und täglich dreimal Sport: Umkehrschwung und Kniebeuge zur Abbitte.

Jüngste Reha-Massnahme: Seit Freitag kann man zum Beispiel digital auf der CDU-Webseite darüber abstimmen, ob das von der Europäischen Union bereits beschlossene Aus für Verbrenner-Motoren ab 2035 wieder gekippt werden soll. Sinnvoll ist diese Aktion allemal, ist doch das planwirtschaftliche Erreichen gesetzter Etappenziele auf dem Weg zum perfekten Kommunismus schon weiland in der DDR und dem gesamten Ost-Block gescheitert und die «Erstürmung der lichten Höhen» der Klimaneutralität dürfte im West-Block nicht viel erfolgreicher werden.

Dumm nur, dass die Union dieser Jehova-Moment («Erwachet!») wenige Tage vor der Europawahl überkommt, und nicht nur Schelme bösen Wahlkampf-Verdacht dabei schöpfen. Noch unglücklicher ist, dass die bisherige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) das Verbrenner-Aus höchstselbst vorangetrieben und befürwortet hat und jetzt Spitzenkandidatin von CDU/CSU und Europas konservativer EVP-Fraktion ist. Die Schwarze gab sich bisher erkennbar grün, um die Gunst der Ampel-Bundesregierung für die eigene Wiederwahl nicht zu verspielen und soll jetzt nach den Vorstellungen der Union in der nächsten Amtsperiode rückgängig machen, was sie selbst mit eingefädelt hat. Das Verbrenner-Aus, den Green-Deal, der ganz Europa mittels gelenkter Finanzströme auf grünen Kurs bringen will…

Um das glaubwürdig zu finden, muss man von der Cannabis-Legalisierung der Berliner Ampel-Regierung schon recht kräftig Gebrauch machen – ganz gleich, ob nun auf Rezept oder ohne. Und immer, wenn die Union sich derzeit mit den Ampel-Männlein in ein Boot setzt, bei Grossdemonstrationen «gegen rechts» mitdemonstriert, die Parteienfinanzierung im eigenen Sinne und gegen die AfD mit beschliesst oder auf Regenbogen-Umzügen heftig die Stolz-Fahnen schwenkt (oder zumindest schwenken möchte: Beim Münchner CSD wurde die CSU gerade ausgeladen), wiegt der skeptische Dr. Aufrecht im Lande bedenklich den Kopf und verlängert die Quarantäne des Zweifels um einige Monate.

Die Genesung von der gerade in bürgerlichen Kreise verbreiteten Infektion Morbus Opportunisti ist hart, langwierig und zuweilen von Rückschlägen begleitet.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.