Diese Zeit ist reich an Merkwürdigkeiten.

Da ist zum Beispiel dieser Friedrich Merz (CDU), dessen Lebensziel darin besteht, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden. Die Frage ist nur: wozu?

Alles, was sich die SPD schon immer wünschte, hat sie in den gemeinsamen «Sondierungen» mit der Union in ein Papier geschrieben, dass auch CDU/CSU mittragen wollen.

Aufweichung der Schuldenbremse im Grundgesetz (deren Bestehen die Union im Wahlprogramm garantiert hatte), Milliardenschulden mit dem lustigen Namen «Sondervermögen» oder zum Beispiel «Partnerschaftlichkeit in Familien». Ein linkes Projekt, bei dem der Versuch, in die Privatsphäre der Menschen hineinzuregieren, nur mäßig verbrämt wird.

Die schnell gescheiterte grüne Familienministerin Anne Spiegel wollte sogar die geschlechtergerechte Verteilung von Hausarbeit irgendwie regeln, kam glücklicherweise wegen ihrer völligen Überforderung und dem überfälligen Rücktritt nicht mehr dazu.

Besonders ausführlich und liebevoll haben sich die Koalitionäre auch dem Zurückdrängen der «alltäglichen Desinformation und Faken News» gewidmet und wollen den Digital Service Act der EU «auf nationaler Ebene konsequent durchsetzen». Da ziehen in der Tat Union und SPD an einem Strang, weil vor allem die Spitze der Rechtsstaatspartei Union noch gar nicht begriffen hat, dass sich nichts anderes als Zensur und Kampf gegen die Meinungsfreiheit hinter diesen Kampfbegriffen verbirgt.

Es ist gerade der Vorzug freier Gesellschaften, auch Falsches, Unpassendes und womöglich Böses sagen und denken zu dürfen. Den Rest regelt das Strafgesetzbuch.

Und so gehört es denn zu den Merkwürdigkeiten dieser Tage, dass die Union die Wahl gewonnen hat und dem größten Wahlverlierer SPD das Feld an Themen schenkt, die sie von der FDP in der Ampel nicht bekommen hat. Die FDP wurde aus dem Parlament gewählt, weil sie der politischen Linken zu viel durchgehen ließ, und da dachte sich die Union: Heidiwitzka, das schaffen wir auch, und überlässt der SPD gleich das Wunschkonzert.

Und ganz merkwürdig wird es, wenn all dieser Irrsinn – zum Glück – doch nicht wahr werden sollte, weil sich ausgerechnet die doktrinären und schuldenverliebten Grünen weigern, zuzustimmen, dass andere ausser ihnen selbst auch noch den Staat ruinieren dürfen.

Wir leben in einer Zeit der Merkwürdigkeiten.

Ralf Schuler war mehr als zehn Jahre Leiter der Parlamentsredaktion von Bild und ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS. Er betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch „Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens“ ist im Fontis Verlag, Basel erschienen.