Der sogenannte Wertewesten macht Urlaub. Mal wieder. Das Motto: Lieber schweigend auf der Sonnenliege rösten, als sich die Finger zu verbrennen. Das gilt vor allem, wenn die Regierung in Kiew macht, was sie will, und dabei wie ein Bulldozer über jegliche demokratischen Prinzipien donnert.

Nun trifft es die ukrainisch-orthodoxe Kirche (UOK). Präsident Wolodymyr Selenskyj hat ein Gesetz zu deren Verbot unterzeichnet – rund drei Millionen Gläubige sind betroffen. Der Kirche wird Russland-Nähe vorgeworfen. Der Kiewer Abgeordnete Roman Losynskyj schrieb auf Facebook von einem «Agentennetz des Kreml».

Eine offenkundige Verletzung der Religionsfreiheit, aber im Wertewesten juckt das niemanden. Beziehungsweise es darf niemanden stören, denn dann könnte das heissgeliebte Märchen der ach so demokratischen Ukraine nicht fortbestehen.

Scharfe Kritik kam zunächst einzig von Papst Franziskus. Kirchen dürften nicht angerührt werden, sagte er in seinem Sonntagsgebet in Rom. Kein Mensch tue Böses, weil er bete. Man solle jeden Menschen, der beten wolle, beten lassen, und zwar in der Kirche, zu der er sich zugehörig fühle.

Tausende Pilger applaudierten. Wo aber bleiben sonstige Solidaritätsbekundungen der Kirche?

Inzwischen hat sich auch der Weltkirchenrat ÖRK geäussert. Deren Vorsitzender Heinrich Bedford-Strohm gab an, er sei «zutiefst beunruhigt über die Möglichkeit einer ungerechtfertigten kollektiven Bestrafung einer ganzen Religionsgemeinschaft».

Tatsächlich ist völlig absurd, Millionen Gläubige in Geiselhaft zu nehmen. Die eine Sache ist, dass etwa zwei Dutzend Geistliche der UOK seit 2022 wegen Spionage für den russischen Geheimdienst oder wegen Rechtfertigung des russischen Angriffskriegs verurteilt wurden. Die andere ist, nun alle Kirchenmitglieder unter Generalverdacht zu stellen. Zumal von der Meinungsfreiheit gedeckt sein sollte, sich wie auch immer zum Krieg in der Ukraine zu äussern.

Die Blindheit der Ideologen tut weh. Nur nicht ihnen selbst. Und das ist die Krux.