Darin ist die Liebe unter uns zur Vollendung gekommen: Dass wir dem Tag des Gerichts (Krisis) mit Zuversicht entgegensehen sollen, denn … Furcht ist nicht in der Liebe (1. Johannesbrief 4, 17). – Unlängst wurde in den Feuilletons an den Historiker Reinhart Koselleck erinnert, der vor hundert Jahren geboren wurde. Er war ein Aussenseiter seiner Zunft und hatte darauf hingewiesen, dass die Aufklärung im 18. Jahrhundert die Hoffnung auf eine stetig sich verbessernde Welt geweckt und in den Köpfen festgesetzt habe. Sie hat, wie ich meine, die Hoffnung auf das Reich Gottes verdrängt. Beflügelt durch die Erfolge der Technik und der Wertschöpfung, hat sie unzähligen Menschen einen Wohlstand beschert, der über Jahrtausende undenkbar schien. Die Behaglichkeit hat die Menschen neu geeicht, so dass sie nun jede Abwärtsbewegung als bedrohlichen Wendepunkt deuten und «Krise» nennen. Sie ist zum Dauerzustand geworden: Finanzkrise, Schuldenkrise, Corona-Krise, Klimakrise, Migrationskrise. Blickt man genauer hin, handelt es sich fast durchwegs um Missstände, die in Fehlentscheidungen der Politik wurzeln und von den Medien moralisch aufgeladen werden. Krisen lösen Ängste aus und rufen Retter oder Helfer auf den Plan. Als solche bieten sich wiederum die Politiker an, manchmal als Wissenschaftler verkleidet. Im Krisenmodus wächst ihre Macht wie von selbst. Aber die Krisen sind das Normale. Im Neuen Testament kommt das Wort Krisis rund vierzigmal vor und wird meistens mit Gericht übersetzt. Das Gericht ist eine Entscheidungsinstanz. Tatsächlich fallen stets Entscheidungen, die unser Leben bestimmen – meistens zu unseren Gunsten: Glück, Bewahrung, Genesung. Auch dem Weltgericht Gottes können wir zuversichtlich entgegenblicken. Das entschärft die «Krisen» hier und jetzt und entlarvt manche Retter als Trickspieler.