Ab wann ist ein Kind ein Kind? Und ab wann hat es als Mensch auch volle Menschenrechte? Schon im Mutterbauch oder erst ab der Geburt? Direkt nach seiner Zeugung oder erst nach zwölf Wochen im Mutterbauch oder doch erst nach sechs Monaten, vielleicht auch erst ab Einsetzen der Wehen, wenn die Geburt also unaufhaltsam im Gang ist? Letzteres ist die Definition des Bundesstaates New York. Dort ist es legal, auch ein Vier-Kilo-Kind bis zum Einsetzen der Wehen noch abzutreiben, weil man ihm keine Menschenrechte zubilligt. Seltsamerweise retten auch die New Yorker Mediziner (Gott sein Dank!) trotzdem 500-Gramm-Frühchen im Zimmer nebenan – weil sie doch Menschen und sehnsüchtig erwartete und bereits geliebte Kinder ihrer Eltern sind.

Was gilt nun? Ist die Frage des Menschseins und der Beginn von Menschenrechten davon abhängig, ob mir meine Mitmenschen diese Rechte zubilligen und mich willkommen heissen, oder bin ich nicht auf jeden Fall menschenrechtswürdig, weil ich Mensch bin von Anfang an? Wenn der Anspruch auf Menschenrechte nur von der guten Laune meiner jeweiligen Regierung oder meiner potenziellen Eltern abhängt – dann gute Nacht!

Die Beispiele zeigen: Es ist keine echte gute Balance herzustellen zwischen dem Recht des Kindes auf Leben und dem Recht der Frauen auf Selbstbestimmung über ihren Körper bei einer ungewollten Schwangerschaft. Wir reden zwar viel über Kinderrechte weltweit, aber bei der Umsetzung steckt der Teufel im Detail. Auch in Deutschland wollen genau dieselben Parteien Kinderrechte ins Grundgesetz schreiben lassen, die nun eine Expertenkommission Vorschläge haben erarbeiten lassen, bis zu welchem Alter eines Kindes man so tun darf, als sei es gar keines, um es noch legal abtreiben zu können. Logik ist hier nicht erkennbar. Nur Interessenskonflikte.

Diese Experten haben nun vorgeschlagen, Abtreibung solle bis zur zwölften Woche völlig legal sein, und knüpfen es an die Begründung, vorher seien die Kinder «nicht lebensfähig». Auch Neugeborene sind nicht lebensfähig ohne Erwachsene, jemand, der krank ist, künstliche Beatmung oder Ernährung braucht, im Koma liegt, ein Pflegefall ist – sie alle sind nicht lebensfähig –: Verlieren sie in diesen Situationen den Anspruch auf Menschenwürde und auf ein Weiterleben?

Wer die Debatte zu Beginn des menschlichen Lebens eröffnet, muss erklären, welche Instanz und welche Kriterien man an das Menschsein anlegen will, wenn man die Zeugung als Startpunkt negiert. Wer eine Zwölf-Wochen-Grenze vorschlägt, muss erklären, warum nicht dreizehn, vierzehn, zwanzig oder 39 Wochen. Zumal es bereits «Ethiker» gibt, die auch über eine nachgeburtliche Abtreibung, sprich Tötung von Kindern laut nachdenken.

Es war hart errungen in Deutschland, anzuerkennen, dass ein Kind schlicht ein Kind ist, ab dem ersten Tag seiner Zeugung, und seine Tötung immer die Tötung eines menschlichen Lebens darstellt. Dass man Abtreibungen bis zur zwölften Woche bis heute straffrei stellte, sollte als Kompromiss den Rechten der Frauen gerecht werden. Es war nie mehr als ein argumentativ unlogischer, aber umsetzbarer Kompromiss, um alle Stimmen zu befrieden.

Eine Legalisierung, wie gerade vorgeschlagen, würde behaupten, das sei zwölf Wochen lang kein Mensch, das dürfe getötet werden. Es wäre ein Dammbruch, und das soll es wohl auch sein. Zwölf Wochen ist eine willkürliche staatliche Definition. Erst vor wenigen Tagen hat diese Regierung abseits der Fakten definiert, was eine Frau ist, und damit Frauenrechte abgeschafft. Jetzt will dieselbe Regierung definieren, was ein Mensch ist, und damit das Recht auf Leben abschaffen. Wessen Rechte werden als Nächstes abgeschafft?