Der Mann heisst Markus Kurczyk, ist 59 Jahre alt, Luftwaffenoffizier, hat in vierzig Dienstjahren drei Einsätze in Afghanistan absolviert und es bis zum Generalmajor der deutschen Bundeswehr gebracht. Zuletzt war er Kommandeur des Zentrums für innere Führung. Nun hat ihn Verteidigungsminister Boris Pistorius sechs Jahre vor der eigentlichen Pensionierung in den vorläufigen Ruhestand versetzt – wegen des Vorwurfs sexueller Belästigung.

Und die soll folgendermassen ausgesehen haben: Auf der Abschlussfeier zu den Invictus Games – ein internationaler Sportwettbewerb für körperlich und seelisch verwundete Soldaten – soll er einen ihm bekannten Soldaten, einen Oberleutnant, auf den Mund geküsst und ihn am Hintern gepackt haben, ohne vorher dessen Einwilligung eingeholt zu haben. Und angetrunken sei er auch noch gewesen.

Na ja: Offiziell heisst es nun nur noch, es sei ein Kuss auf die Wange gewesen und zwei «leichte Klapse» aufs Gesäss.

Da staunt die unbescholtene Bürgerin, die auch schon mal geküsst und geklapst hat, weil sie sich gefreut hat. Das ist also jetzt bereits «sexuelle Belästigung», auch noch unter Männern, die schon mal ein wenig tapsig sind bei Freudebekundungen?

Auch ist nun nicht mehr die Rede davon, dass der Generalmajor angeschickert gewesen sei – doch so wurde es prompt kolportiert, und damit war der Ruf natürlich ruiniert. «Alkoholisierter General von Aufgaben entbunden», titelte es prompt.

Markus Kurczyk bestreitet das, auch den Kuss und den Klaps, bislang gibt es einen Zeugen, der ihn darin unterstützt. Das angebliche Opfer will sich dazu nicht äussern.

Doch ganz abgesehen von der Unschuldsvermutung: Was genau ist nun also der Skandal? Ist die Bundeswehr ein Refugium empfindsamer Luschen? Oder liegt der eigentliche Skandal womöglich darin, dass der Verteidigungsminister den Soldaten mit bis dahin untadeligem Ruf fallengelassen hat, damit er nicht selbst ins von Aktivisten gezündete mediale Kreuzfeuer gerät?

Denn das alles sieht laut der Neuen Zürcher Zeitung nach einer gezielten Aktion aus. Das angebliche Opfer des angeblichen sexuellen Übergriffs ist Vorsitzender eines Vereins namens QueerBw mit rund 400 Mitgliedern, vor 21 Jahren gegründet, der sich als die «Interessenvertretung der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, inter- und andersgeschlechtlichen Angehörigen der Bundeswehr» bezeichnet und der dafür kämpft, dass «feindselige Gesinnung» gegen alle irgendwie queeren Personen in der Bundeswehr abgebaut wird. Sie stören sich an der Disziplinarstrafe für Oberstleutnant Anastasia Biefang, die stellvertretende Vorsitzende, einst ein Mann, die sich in einem Datingprofil auf der Suche nach Sex allen Genders gegenüber mehr als offen zeigt.

Dass das dem Comment einer Armee und der Verantwortung für 1200 Menschen als Kommandeurin eines Bataillons nicht ganz entspricht, ist irgendwie einleuchtend – und nichts anderes hat auch der Generalmajor zu diesem Fall gesagt. Damit hat er sich offenbar ebenso unbeliebt gemacht wie mit einer Aussage gegenüber dem Spiegel vor gut einem Jahr, die Bundeswehr brauche einen bestimmten Anteil an robusten Menschen, die bereit seien, zu töten und notfalls auch getötet zu werden. Die aber, gab der Soldat zu bedenken, finde man kaum noch, wenn schon im Kindergarten jede Aggression unterbunden würde.

Klar: Wer das Offensichtliche sagt, kommt in unserer moralgesättigten Gesellschaft nicht gut an, in der man ein ausgesprochen gestörtes Verhältnis zur eigenen Armee hat. Gut möglich, dass Pistorius vermeiden wollte, selbst ins Feuer zu geraten. Im Gespräch mit Kurczyk soll er gesagt haben, die Vorwürfe stünden nun einmal im Raum, die Entscheidung, Kurczyk in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, sei zu dessen eigenem, aber auch zum Schutz der ministeriellen Leitung notwendig.

Gut, dass Deutschland keine Feinde hat, wovon wir stets ausgehen, schliesslich sind wir ja die Guten. Hätten wir welche, dürften die sich jetzt schräglachen. Der Verteidigungsminister trennt sich wegen so eines durchsichtigen Manövers von einem verdienten Soldaten? Grossartig! Eine solche Armee muss man nicht ernst nehmen.

Weswegen man auch nicht ernst nehmen muss, wenn Bundeskanzler Scholz verkündet, «unser Staat» werde «jüdisches Leben überall und zu jeder Zeit schützen und verteidigen». Wie denn und womit denn?

Die Bundeswehr steht blank, konstatierte vor zwei Jahren der Heeresinspekteur. Auch Pistorius sorgt nun dafür, dass sie immer blanker wird.