Dieser Kommentar erschien zuerst auf 19fortyfive.com. Das Magazin setzt sich mit Sicherheits- und Verteidigungsfragen auseinander. Autor ist Daniel L. Davis, ehemaliger Oberstleutnant der US-Armee. Wir dokumentieren seinen Text im Wortlaut und übersetzt. Die Redaktion.
Ende 2022 versprachen viele westliche und Nato-Länder, der Ukraine moderne Waffen zu schicken. Wie US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte, will man die Ukraine so lange unterstützen, wie es nötig ist, um Russland zu vertreiben. Da es Anzeichen dafür gibt, dass bald eine ukrainische Frühjahrsoffensive beginnen könnte, behaupten viele westliche Militäranalysten, dass eine ausreichende Menge westlicher Waffen die Dinge für die Ukraine wenden könnte. Eine sorgfältige Analyse zeigt, dass dieser Optimismus möglicherweise unangebracht ist.
Am 23. März erklärte der Befehlshaber der ukrainischen Bodentruppen, General Oleksandr Syrsky, zuversichtlich, dass die ukrainischen Streitkräfte «sehr bald» eine neue Offensive starten und die russischen Streitkräfte zurückdrängen würden, «wie wir es in der Vergangenheit bei Kiew, Charkiw, Balaklija und Kupjansk getan haben». Vier Tage später gab der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow bekannt, dass die UAF (ukrainische Streitkräfte) bereits Panzer und Schützenpanzerwagen aus Grossbritannien, Spanien, Frankreich, den USA, Deutschland und Portugal erhalten habe. «Die besten Fahrzeuge für die besten Soldaten», twitterte Resnikow und ergänzte, dass es an der Zeit sei, zur Offensive überzugehen.
Nato stellt moderne Ausrüstung und Ausbildung zur Stärkung der ukrainischen Streitkräfte bereit
Viele werden verständlicherweise auf die umfangreichen Anschaffungen hinweisen, die der Ukraine versprochen oder bereits geliefert wurden: MiG-29-Jets, von den USA gelieferte Patriot-Luftabwehrsysteme, M1A1-Abrams-Panzer und Stryker-Panzerfahrzeuge. Hinzu kommen britische Challenger-Panzer, deutsche Leopard-Panzer, französische AMX-10-Panzer, türkische Schützenpanzer Kirpi, US-amerikanische 155-mm-Panzerhaubitzen vom Typ Paladin und Tausende von Drohnen. Das ist eine Menge an Feuerkraft. Was in den westlichen Medien jedoch weitaus weniger verstanden wird, ist der mühsame Prozess der Umwandlung verschiedener moderner Plattformen in Kampfkraft.
Die meisten Analysten gehen einfach davon aus, dass die verschiedenen Flugzeuge, Panzer und gepanzerten Fahrzeuge aufgrund ihrer Kapazitäten ihren russischen Kollegen überlegen sind, so dass allein ihr Besitz der ukrainischen Seite einen vermeintlich taktischen Vorteil verschafft. Es ist viel komplizierter als das. Wie ich in früheren Analysen ausführlich dargelegt habe, muss die Ukraine, um diese vielen Plattformen aus einer Vielzahl verschiedener Länder einsetzen zu können, über zuverlässige logistische Versorgungslinien verfügen, um Ersatzteile, geschulte Mechaniker und die passende Munition bereitzustellen.
Darüber hinaus verfügt jede Plattform über ein eigenes Betriebssystem, das die Bediener erlernen müssen, zusätzlich zu den Kenntnissen über ihre eigene Ausrüstung aus der Sowjet-Ära. All dies zusammenzufügen, es in Betrieb zu halten und mit Munition, Treibstoff und Ersatzteilen zu versorgen, ist eine äusserst schwierige Aufgabe. Doch so schwierig es auch ist, so viele verschiedene Plattformen ohne ausgereifte Unterstützungssysteme zusammenzuschustern, die grössere Schwierigkeit für die ukrainischen Streitkräfte wird darin bestehen, sie in einer Offensive mit kombinierten Waffen effektiv einzusetzen.
Gemäss Berichten haben bis zu 30.000 ukrainische Soldaten eine wochenlange bis mehrmonatige Ausbildung in zahlreichen Nato-Einrichtungen erhalten. Dies wird zwar zweifellos die Fähigkeiten der UAF verbessern, aber die Bemühungen sind überhaupt nicht zusammenhängend und werden die ukrainischen Streitkräfte nicht angemessen darauf vorbereiten, gross angelegte, gut koordinierte und ausgefeilte Operationen mit kombinierten Waffen durchzuführen, um die russischen Verteidigungsstellungen zu durchbrechen.
Die Chancen, die Ausrüstung und die logistischen Herausforderungen sowie die Schwierigkeiten bei der Ausbildung und den Einsätzen zu überwinden, wären für jede Truppe bemerkenswert gering. Kommt hinzu, dass die UAF fast ohne Luftunterstützung angreifen und zumindest im Sommer nur über eine begrenzte Anzahl von Artilleriegranaten verfügen würde.
Die Kampfleistung von Leopard 2 und M1A1 Abrams
Ein weiterer Faktor, der in der westlichen Presse viel zu wenig Beachtung findet: Die Panzer, auf die die Ukraine setzt, sind an sich keine transformative Technologie, welche die Fähigkeiten auf dem Schlachtfeld erheblich verbessern wird. Vielmehr haben sich der Leopard 2 und der M1A1 Abrams im Kampf als anfällig erwiesen.
Im Dezember 2016 führte die türkische Armee eine Operation gegen kurdische Separatisten und IS-Rebellen in Nordsyrien durch. Zu Beginn des Jahres 2016 hatte die Türkei viele der älteren M60-Patton-Panzer verloren, die sie von den USA erhalten hatte, und beschloss, die moderneren Leopard-2A4-Panzer einzusetzen. In der Schlacht von al-Bab im Dezember schnitten die Leopard-Panzer nicht besser ab als die Patton-Panzer, und mindestens zehn der deutschen Panzer wurden von Rebellen ausgeschaltet. Ebenfalls 2016 berichtete «Defense One», dass bis zu zwanzig M1A1-Panzer, die von Saudi-Arabien in seinem Krieg gegen die Huthi-Rebellen im Jemen eingesetzt werden, ausser Gefecht gesetzt wurden.
Lassen Sie das einen Moment lang auf sich wirken. Leopard 2 und M1A1 – die Grundlage der ukrainischen Hoffnungen auf dem Schlachtfeld – wurden im Kampf gegen Rebellen, die selbst keine Panzer hatten, ausgeschaltet. Ob Leopard-, Challenger- oder Abrams-Panzer, das Ergebnis für die Ukraine wird sich kaum von den Ergebnissen unterscheiden, die sie mit den derzeitigen Panzern aus der Sowjet-Ära erzielt hat. Es kommt immer darauf an, wie die Ausrüstung eingesetzt wird. Die Panzer selbst machen weit weniger Unterschied.
Was kommt nach der Frühjahrsoffensive der Ukraine?
Auch wenn man die Hartnäckigkeit und den Mut der ukrainischen Verteidiger bewundern und ihren Wunsch, die eindringenden Russen zu vertreiben, voll und ganz verstehen kann, so ist das Risiko, dem sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine Generäle gegenübersehen, weitaus grösser als der Misserfolg einer Offensive. Um wirklich zu verstehen, was auf dem Spiel steht, müssen wir über die Erfolgschancen der Ukraine bei einem Vorstoss blicken. Ein ukrainisches Scheitern hätte eindeutig negative Auswirkungen. Was jedoch nur wenige wissen, ist, dass selbst ein taktisch erfolgreicher Vorstoss die Ukraine letztlich den Krieg kosten könnte.
Eine gescheiterte Offensive könnte die ukrainischen Streitkräfte so schwächen, dass sie das Jahr nicht als geschlossene Truppe überstehen. Auch eine erfolgreiche Offensive könnte sie so schwächen, dass sie für einen russischen Gegenangriff anfällig werden. Das liegt daran, dass die Ukraine Monate damit verbracht hat, diese Offensivkräfte aufzubauen, während Wehrpflichtige und weniger gut ausgebildete Kräfte an Brennpunkten wie Bachmut an der Front zurückblieben. (Dies war entscheidend, um den Offensivkräften Zeit zur Vorbereitung zu geben.)
Sobald sie verbraucht sind, werden nur noch die Truppen der Nationalgarde zur Verteidigung des Landes zur Verfügung stehen – und ein unzureichendes Reservoir an Arbeitskräften, aus dem die Ukraine eine neue Offensivtruppe zusammenstellen kann. Die ukrainische Lage wird durch die Anzahl der Truppen und die Menge des Kriegsmaterials, über das der Feind verfügt, noch verschärft.
Anfang Februar meldete der ukrainische Geheimdienst, dass Russland in der Ukraine rund 300.000 Soldaten für eine massive Invasion angesammelt hatte, die mit erstaunlichen 1800 Panzern, 3950 gepanzerten Fahrzeugen, mehr als 3000 Artilleriegeschützen und Raketenwerfern, 400 Kampfjets und 300 Hubschraubern ausgestattet waren. Man erwartete, dass Russland bald mit einem grossen Vorstoss durchstossen würde. Vielleicht lag es am hartnäckigen Widerstand der Ukraine in Bachmut, dass Russland nicht in der Lage war, eine gross angelegte Winteroffensive zu starten. Zweifellos mussten die russischen Streitkräfte Verstärkungen abziehen, um die Verluste in Bachmut, Wuhledar und Awdijiwka zu ersetzen.
Wahrscheinlich gibt es aber noch eine beträchtliche russische Streitmacht, die derzeit nicht im Einsatz ist. Soweit wir wissen, verfügt die Ukraine nicht über nennenswerte strategische Reserven. Wenn die ukrainische Offensive erfolgreich ist und Russland ein Stück weit zurückdrängt, wird die Ukraine eine verbrauchte Streitmacht sein. Wenn die russischen Linien einknicken, aber nicht durchbrechen und nur kleine Vorstösse entlang der Linie zulassen, wird auch die UAF zu einer verbrauchten Streitmacht. In jedem Fall wird Russland, sobald der Höhepunkt erreicht ist, über eine grosse und gut versorgte Streitmacht verfügen, um einen eigenen grossen Gegenangriff zu starten. Die Ukraine wird kaum in der Lage sein, einen russischen Gegenangriff aufzuhalten.
Im letzten Teil dieser Analyse werden wir die taktische Situation auf beiden Seiten genauer betrachten. Wir werden einen tieferen Blick darauf werfen, was nach der mutmasslichen Offensive der Ukraine kommen könnte, und überlegen, wie die Bedingungen für jede Seite in Zukunft aussehen könnten. Abgesehen von den Emotionen und der westlichen Vorliebe für einen ukrainischen Sieg verheisst eine kalkulierende Betrachtung der Kampf- und Kriegsgrundlagen nichts Gutes für Kiew.
Alles in Allem ziemlich spekulativ und viel Klein-Klein, wo Effektivitäten nicht leicht gegengewogen werden können. Derzeit sehen wir de facto eine anhaltende Patt-Situation, wo es nicht plausibel wäre, dass Russland mit einer o.g. Überlegenheit an Mann und Material in der UA so lange wartet, bis die UA weiter aufgerüstet ist. Auch wenn die an die UA zu liefernden Waffensysteme nicht perfekt eingesetzt werden können, ist es dennoch ein Mehr, was in einer Patt-Situation etwas ausmachen kann.
Das ist doch laengst bekannt ausser fuer Joe Biden, der wird dann irgendwann im Sommer 2023 NATO Kraefte aufbieten um den schaden zu begrenzen, US Truppen sind laengst in Polen und Bulgarien (20000) fuer logistik und taktische unterstuetzung?
Noch eine Wasserstandsmeldung - der man glauben kann oder auch nicht.