Nach wochenlangem Chaos dämmerte auch Liz Truss selbst, dass ihre Zeit abgelaufen war. Sie ist mit Abstand die am kürzesten amtierende Premierministerin in der britischen Geschichte.
Ich hörte die Nachricht ihrer Demission, als ich mit dem Zug nach London fuhr. Innerhalb weniger Minuten lachten meine Mitreisenden, die die Nachricht auf ihren Smartphones mitbekommen hatten. Je nach Geschmack war es entweder Ausdruck von Qual oder Schadenfreude.
Doch wie geht es weiter?
Es wird keine vorgezogenen Neuwahlen geben. Die Verfassung schreibt dies nicht vor, und die konservativen Abgeordneten sind vielleicht dumm, aber nicht so dumm, sich jetzt Neuwahlen zu stellen. Gemäss Umfragen liegen die Tories in der Wählergunst platt am Boden.
Es muss also schnell gehen. Der neue Premier wird bis zum 28. Oktober feststehen. Und er oder sie wird aus den Reihen der Konservativen Partei kommen.
Aber wer will dieses schwere Erbe antreten?
Bemerkenswerterweise wird gemunkelt, dass Boris Johnson sich als Kandidat zur Verfügung stellen könnte. «Das kann nicht Ihr Ernst sein», wie John McEnroe einst in Wimbledon rief.
Das ist vielleicht nicht ernst gemeint, aber es könnte wahr sein. Erstaunlicherweise sehen die Buchmacher Johnson derzeit auf dem dritten Platz. Favorit ist der ehemalige Kanzler Rishi Sunak. Das könnte auch der Grund sein, warum Johnson kandidieren könnte – um seinen Widersacher Sunak zu stoppen, der gemäss der Meinung von vielen Johnson den Gnadenstoss als Premier versetzt hat.
Weitere wahrscheinliche Kandidaten sind Penny Mordaunt (Platz zwei bei den Buchmachern), eine konservative Linksaussen-Politikerin, die eher für ihre Schwimmkünste als für ihren Verstand bekannt ist. Es wird sich auch die übliche Schar von Aussichtslosen hervordrängen, die ihre fünfzehn Minuten Ruhm haben wollen.
Die aktuelle Stimmungslage scheint jedoch nach einem «Steady Eddie» zu rufen – einem sicheren Paar Hände, das das Geisterschiff auf einen ruhigeren Kurs bringen und hoffentlich bei den Parlamentswahlen in zwei Jahren das Wrack der Konservativen Partei wieder flottmachen kann.
Sunak hat sich in dieser Hinsicht in seiner Zeit als Schatzkanzler und mit seiner Warnung vor den Risiken von Truss’ «Fantasie-Ökonomie» empfohlen. Im Gegensatz dazu ist der immer noch beliebte Boris das genaue Gegenteil eines «Steady Eddie».
Wird es also Boris Johnson (wieder), Penny Mordaunt oder der klare Favorit Rishi Sunak sein? Eine goldene Regel in der Wahlpolitik der Konservativen Partei besagt, dass Favoriten nie gewinnen. Sunak war der Favorit bei der letzten Wahl, als er gegen Truss antrat. Vielleicht siegt dieses Mal der gesunde Menschenverstand.
Während wir in der EU finanziell die Italiener geworden sind, haben die Briten es nun politisch geschafft. Die Italiener schafften es trotzdem immer wieder zu überleben, was auch die Briten bewerkstelligen. Bei der EU darf man jedoch Zweifel haben. Aber langweilig wird es nie. Auch wie bei den Italienern.