Kaum hatten die Wahllokale geschlossen, war die Überraschung perfekt: Geert Wilders’ Partei fĂŒr die Freiheit (PVV), die von vielen als bigott und rechtsradikal angesehen wird, ist mit 37 von 150 Sitzen die stĂ€rkste politische Kraft in den Niederlanden.

Nie zuvor hatte Wilders es so weit gebracht. Was zum Teil auf seine radikalen Forderungen zurĂŒckzufĂŒhren war, wie etwa das Verbot des Korans, des Kopftuchs oder des Islamunterrichts sowie seinen Vorschlag, ein vollstĂ€ndigen Einwanderungsverbots fĂŒr Muslime zu verhĂ€ngen.

Empörte BĂŒrger gingen gerichtlich gegen Wilders vor. Im Jahr 2020 hatte ein Berufungsgericht Wilders wegen einer «Hetzrede gegen Marokkaner» schuldig gesprochen, ohne jedoch eine Strafe gegen ihn zu verhĂ€ngen. Es ging um einen Vorfall 2014. Damals hatte Wilders Hunderte AnhĂ€nger auf einer Kundgebung gefragt: «Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner in den Niederlanden?» Diese skandierten: «Weniger, weniger!» Wilders antwortete: «Dann werden wir das regeln.» Worauf Wilders mit rund 6000 Anzeigen eingedeckt wurde.

Wilders, der sich 2006 als Ein-Mann-Fraktion von der konservativ-liberalen Volkspartei fĂŒr Freiheit und Demokratie (VVD) abgespaltet hatte, galt lange Zeit als Ein-Themen-Politiker, der auf die Gefahr des radikalen Islam fixiert ist.

Auch dieses Jahr schienen seine Anliegen in den Augen vieler Beobachter ausgereizt zu sein. Im Wahlkampf der letzten Wochen mĂ€ssigte Wilders seinen Ton und versprach, seine Forderungen zu mildern, sollte er in die Regierung kommen. Er signalisierte, dass er sich vor allem fĂŒr die Anliegen der «einfachen BĂŒrger» einsetze wĂŒrde.

Die Migration war das Thema, an dem das Kabinett von Mark Rutte im Sommer scheiterte. Die Migration ist das Thema, mit dem Wilders’ Partei gepunktet hat. Er macht fĂŒr die grosse Wohnungsnot und Probleme im Gesundheitswesen vor allem die vielen Asylbewerber in den Niederlanden verantwortlich und hat angekĂŒndigt, die Einwanderung massiv zu drosseln.

Und dann kamen mit dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober und dem folgenden Gaza-Krieg weitere Ereignisse hinzu, die Wilders wohl den Auftrieb zum Wahlsieg bescherten.

Die pro-palĂ€stinensischen Massendemonstrationen, gespickt mit antisemitischen Slogans, werden bei vielen NiederlĂ€ndern den Verdacht geschĂŒrt haben, dass mitten in ihrer Gesellschaft eine feindliche Kolonne herangewachsen ist.

So ist Wilders’ Stern in den letzten Wochen – fĂŒr viele unerwartet und dennoch nicht ĂŒberraschend – leuchtend aufgestiegen.

Die ersten GlĂŒckwĂŒnsche, die Wilders erhielt, kamen von Ungarns MinisterprĂ€sidenten Viktor OrbĂĄn.

Jessica Durlacher ist eine niederlÀndische Schriftstellerin. Ihre Romane erscheinen im Diogenes-Verlag.