Vor einem Vierteljahrhundert traten Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Jörg Haider (FPÖ) vor die Kameras. Von CNN über BBC bis hin zu ARD und ZDF lief die Berichterstattung. Das erste schwarz-blaue Projekt verlief, gemessen an dem Teufel, der an die Wand gemalt worden war, einigermassen unaufgeregt.

Das zweite schwarz-blaue Stelldichein von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache war schon von einer Unaufgeregtheit gekennzeichnet, die bei einem Gewöhnungseffekt eintritt.

Ein Vierteljahrhundert später ist Österreich ein anderes Land geworden. Inmitten eines anderen Kontinents. Dies könnte die veränderte Lage erklären, warum aller guten Dinge nicht drei wurden.

Nach anfänglichen Erfolgen von Blau-Schwarz wurde der Eindruck erweckt, dass es ähnlich schnell gehen könnte wie im Jahr 2000. Aber dann begann der Motor zu stottern, und die Funkdisziplin liess merklich nach. Bis zum völligen Zusammenbruch.

Protokolle wurden durchgestochen. Vorschläge und Gegenvorschläge via Medien unterbreitet. Scheitern programmiert.

EU, internationale Gerichte, Menschenrechtskonvention. Die heiligen Kühe der Europapartei ÖVP mussten ausser Frage gestellt werden. Der langatmige Prozess des byzantinischen Molochs.

Kickl hat dennoch ein durchaus grosszügiges Angebot unterbreitet. Sieben Minister für die ÖVP und ein unabhängiger Justizminister, während die FPÖ sechs Minister gestellt hätte.

Mit Finanzminister und Innenminister hätten die Freiheitlichen zwar Schlüsselpositionen innegehabt, aber auch fast die gesamte Reformarbeit auf ihre Schultern geladen. Staatsschulden und Migration in den Griff bekommen, das kommt einem titanischen Atlas gleich.

Wohingegen die ÖVP durchaus viel Raum für das Verteilen von Posten und Geld bekommen hätte. Zum Beispiel den ersten schwarzen Verkehrsminister seit 1970. Für gewöhnlich ein heissbegehrtes Ressort.

Vordergründig spricht die ÖVP vom Machtrausch Kickls, und vermutlich wird man bald meinen, er habe sich verzockt.

Tatsächlich waren die Vorschläge ausgewogen. Jedoch in zwei Punkten unnachgiebig konsequent: Finanzen und Inneres. Man wollte hier unbedingt mit neuen Besen kehren. Da man dafür ein entsprechendes Wählervotum erhalten hat.

Cui bono?

Es erscheint plausibel, dass ÖVP und SPÖ in der zweiten Phase parallel verhandelt haben. Der Wiener Bürgermeister Ludwig steht unter grossem Druck. Weniger wegen der Wahl, sondern vielmehr wegen der Finanzierung. Ein Entgegenkommen eines gebändigten SPÖ-Bundesobmanns Babler für die Sicherstellung der Geldflüsse. Offenbar war man sich beim ersten Ampel-Anlauf des Ernstes der Lage nicht bewusst.

Paradoxerweise könnte die günstige Grosswetterlage den Bemühungen von Blau-Schwarz einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Kein Trump und keine AfD vor einem Vierteljahrhundert. Brüssel, EVP und SPE verteidigen ihre Pfründe mit Klauen und Zähnen. Ob der gesteigerten Bedrohung für das Ancien Régime.

Manchmal muss man das Scheitern als Teil seiner Aufgabe begreifen. Gleich ob Expertenregierung, Ampel oder Neuwahlen wird der Aufwind für die Freiheitlichen ungebrochen bleiben.