Für Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter ist die Rede von US-Vizepräsident J. D. Vance an der Sicherheitskonferenz in München ein «Plädoyer für die direkte Demokratie». Dies sagte die FDP-Politikerin im Interview mit der Westschweizer Tageszeitung Le Temps. Vance habe über «liberale Werte» gesprochen, die es zu verteidigen gelte. Diese Auffassung teile sie.

Damit stellte sich Keller-Sutter gegen die empörten Reaktionen vieler anderer europäischer Staats- und Regierungschefs.

«Es war ein Plädoyer für die direkte Demokratie. So kann man es lesen», sagte Keller-Sutter gegenüber der Zeitung. Insofern seien Vance’ Äusserungen «in einem gewissen Sinn sehr schweizerisch» gewesen. Auch habe Vance das sehr liberale Prinzip zum Ausdruck gebracht, dass man nicht nur andere Meinungen anhöre, sondern sich auch dafür einsetze, dass diese geäussert werden dürften, sagte die Finanzministerin weiter.

Mitte-Präsident Gerhard-Pfister reagierte auf dem Kurznachrichtendienst X mit deutlichen Worten auf Keller-Sutters Aussagen: Er könne «bei allem Respekt vor der Bundespräsidentin» in der Rede des US-Vize-Präsidenten nicht viel Liberales erkennen. In den USA gebe es weder direkte Demokratie noch Koalitionsregierungen. «Und die Analogien zum Münchner Abkommen 1938 [Abtretung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich, Anm. d. Red.] machen mir Sorgen», schrieb Pfister.

Auch die Grünen reagierten mit Einspruch: «Nein, Frau Bundespräsidentin», schrieben sie in einem Communiqué. Die Rede von Donald Trumps Vizepräsidenten entspreche nicht den Werten und Institutionen der Schweiz. Eine derartige Wertschätzung für Vance’ Rede auszudrücken, sei «der Schweiz nicht würdig», hielten die Grünen fest.

GLP-Nationalrätin und -Fraktionspräsidentin Corina Gredig schrieb auf X, die Rede als liberal zu bezeichnen sei «absurd». Die Diktaturen Russlands und Chinas seien die Bedrohungen von Freiheit und Demokratie. Vance’ vermeintliche grösste Gefahr aus dem Inneren sei eine klare «Verharmlosung autoritärer Aggressoren».

US-Vizepräsident J. D. Vance hatte die europäischen Verbündeten auf der Münchner Sicherheitskonferenz ungewöhnlich scharf attackiert und sie vor einer Gefährdung der Demokratie aus dem Innern gewarnt. Die Meinungsäusserungsfreiheit in Europa schwinde zusehends.

Er nahm indirekt Bezug auf die deutsche Debatte über eine Abgrenzung von der AfD: «Es gibt keinen Platz für Brandmauern», sagte er. «Die Demokratie beruht auf dem heiligen Grundsatz, dass die Stimme des Volkes zählt.» Entweder man erhalte dieses Prinzip aufrecht oder nicht.

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz verbat sich eine Einmischung in den aktuellen Wahlkampf. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius reagierte mit Kritik an der US-Regierung. In hiesigen Pressekonferenzen würden auch Medien zugelassen, die russische Propaganda verbreiteten.