Wenn eine Partei bei einer aktuellen Wahl im Vergleich zur letzten Abstimmung um rund zehn Prozentpunkte zulegt, ist das ein eindeutiger Sieg. Wenn sie darüber hinaus mit der bisher an der Spitze der Wählergunst liegenden Partei gleichauf zieht, ist das sogar ein ziemlich triumphaler Sieg.

Nur, wenn diese Partei AfD heisst, und es um die Kommunalwahl im «Höcke-Land» Thüringen geht, dann wird das in Deutschland eben nicht mit solchen Worten bedacht. Dann steht bei denen, die darüber berichten: «Guter Tag für die CDU» (Focus online) oder sogar «Rückschlag für AfD» (Bild). Oder eben: «AfD holt keinen Sieg» (Taz).

All das ist Wunschdenken parteiischer Wahlbeobachter durch und durch. Wer halbwegs unvoreingenommen auf das Ergebnis schaut, wie es sich kurz vor Mitternacht und nach Auszählung etwa der Hälfte der Wahlbezirke zeigt, hat die AfD einen deutlichen Sieg errungen. Und das, obwohl ihre führenden Köpfe in Skandale verwickelt sind, und sie es auch in Thüringen nicht schafft, innerparteiliche Grabenkämpfe zu befrieden, was zur Folge hat, dass sie in einigen Kreisen gar nicht, in einem dafür aber gleich mit zwei Listen angetreten ist. Ihren Anhängern scheint das herzlich egal zu sein, sie wählen sie trotzdem, was wahlweise für eine hohe Anziehungskraft der AfD oder tief sitzenden Frust über alle anderen, oder für beides spricht.

Bürgermeister oder Landrat stellt die AfD noch keinen – aber das kann sich bei den nun anstehenden Stichwahlen ändern: Nach derzeitigem Stand hat sie in mindestens acht Kreisen die Chance, in der Stichwahl zu gewinnen, in einigen dieser Kreise startet sie die zweite Wahlrunde sogar aus der Pole-Position.

Man mag von der AfD halten, was man will – aber sie nicht zum eindeutigen Gewinner dieser Wahl zu erklären, ist realitätsfern. Und mit Realitätsferne werden keine weiteren Wahlen gewonnen, weder Stichwahlen, noch Europawahlen, noch Landtagswahlen.