Dieser Essay erschien zuerst auf dem Online-Portal Corrigenda.

Falls Max Muster aus Ahrensburg in Schleswig-Holstein geplant hat, seinen Skiurlaub in der Schweiz anzutreten, dürfte er die Buchung nun stornieren. Denn er hat gerade erfahren, dass das kleine Nachbarland handstreichartig von rechtsextremen Horden annektiert wurde. Dort will man natürlich nicht hinfahren. Nur schon zur eigenen Sicherheit.

Zu verdanken hat Muster sein Wissen deutschen Medien wie Tagesspiegel oder Focus. Für diese und einige andere mehr ist die Siegerin der Wahlen in der Schweiz vom Sonntag «rechtsextrem». Klar gewonnen hat am Sonntag die Schweizerische Volkspartei (SVP). Sie war allerdings schon die vier Jahre davor klar stärkste Partei im Land. Und in den vier Jahren davor ebenfalls und sogar noch deutlicher. Der Wahltag war kein demokratischer Umsturz. Die SVP hat lediglich ihre Verluste aus 2019 wettgemacht, wobei nicht einmal das vollständig.

Damals waren die Grünen die grossen Sieger in der Schweiz. In den darauffolgenden Jahren dämmerte es den Wählern, dass ihr Leben zwar laufend teurer und reicher an Verboten wird, aber nicht besser. Nun folgte die Korrektur. Der Wahlausgang war damit ein ziemlich normaler, fast schon langweiliger demokratischer Vorgang. Die Schweiz wählt zyklisch, es geht für alle Parteien immer mal auf und ab. Aber glaubt man deutschen Medien, dann wird ab morgen aufgrund des Siegs der SVP «Mein Kampf» zur Pflichtlektüre an Schweizer Volksschulen.

SVP vergleichbar mit CSU von Franz Josef Strauss

Zur Einordnung für Deutsche, die sich von unwissenden (oder manipulativen) Medien in ihrer Heimat aufs Glatteis führen lassen: Die Schweizerische Volkspartei dürfte programmatisch am ehesten mit der guten alten CSU von Franz Josef Strauss vergleichbar sein. Dem hat man seinerzeit auch viel nachgesagt, aber kaum, dass er demnächst irgendwelche Pogrome plant.

Die SVP ist quer durchs Land in unzähligen Kantonen und Kommunen in der Regierung eingebunden. Es gibt sie seit über sechzig Jahren, und ihre Vorgängerpartei, die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei, existierte seit 1936. In dieser Zeit hat die Volkspartei niemals irgendwelche undemokratischen oder verfassungsfeindlichen Züge entwickelt.

Zu verdanken hat sie die Beurteilung «rechtsextrem» aus der Nachbarschaft der Tatsache, dass sie die Zuwanderung zum Wahlkampfthema gemacht hat. Ganz zufällig geschah das nicht. Die Schweiz nähert sich rasant der Zahl von zehn Millionen Einwohnern, es herrscht Wohnungsnot und Dichtestress, die Infrastruktur kommt an ihre Grenzen. Statt der erhofften Fachkräfte kommen Menschen aus fernen Kulturen, welche die Sozialsysteme belasten und kaum integrierbar sind. Ein Recht auf Asyl haben sie in der Regel nicht, aber rückführen kann man sie auch nicht, weil sie leider gerade vergessen haben, wo sie herkommen, und ihren Pass verloren haben.

Auch die stärkste Partei kann nichts diktieren

Es gibt derzeit kein Thema, das die Schweizer mehr beschäftigt als die Massenmigration – und die SVP verspricht Abhilfe. Diese sieht in erster Linie so aus, dass die Schweiz die Zuwanderung wieder abseits internationaler Abkommen selbst steuern und regulieren kann. Man kann das als ganz normalen Wunsch einer souveränen Nation bezeichnen. Aber «rechtsextrem» garantiert weit mehr Klicks.

Wobei es nicht gerecht wäre, deutsche Medien einseitig der Wahrnehmungsstörung zu beschuldigen. Es gibt auch in der Schweiz selbst Kreise, die darunter leiden. Am Tag nach dem Wahlsieg meinte eine Politikerin aus dem linken Spektrum, die Politik der SVP dürfe nicht «normalisiert» werden. Eine etwas schwierige Aussage, nachdem fast jeder dritte Wähler dieser Partei seine Stimme gegeben hat. Was macht man mit diesen «unnormalen» Bürgern? Stimmrecht entziehen? Staatlich finanzierten Umerziehungskurs?

Was deutsche Medienkonsumenten nicht erfahren: Es spielt keine wesentliche Rolle, ob die SVP 40, 50 oder wie aktuell 62 der 200 Sitze im Nationalrat, der grossen Kammer, hat. Die Zerklüftung der Parteienlandschaft und die Tatsache, dass die Regierung nicht das Ergebnis der Parlamentswahlen, sondern von Absprachen der grössten Parteien ist, führen dazu, dass auch die stärkste Kraft nichts diktieren kann. Sie hat etwas mehr Gewicht bei der Suche nach einem Kompromiss, aber eingehen muss sie ihn dennoch. Mit nicht einmal einem Drittel der Sitze kann die SVP nicht einfach den Takt vorgeben.

Aber könnte sie es, würde das Land entgegen den düsteren Prognosen von Tagesspiegel und Co. auch nicht untergehen. Die Schweiz hätte dann einfach einen konservativen, meinetwegen rechtsbürgerlichen Kurs. Was mit «rechtsextrem» beim besten Willen nichts zu tun hat.