Nur ein massiver Durchbruch in der Waffentechnologie kann nach Überzeugung des ukrainischen Oberkommandierenden Walerij Saluschnyj das militärische Patt zwischen seinen und den russischen Truppen brechen. «Aber höchstwahrscheinlich wird es keinen tiefen und wunderschönen Durchbruch geben», erklärte der General in einem Interview und einem Essay für den Economist.

Generell äusserte er Zweifel, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine der beiden Seiten einen militärischen Sieg erringen werde. Die festgefahrene Situation erinnere ihn an die Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Im Verlauf der seit fünf Monaten andauernden Offensive hat die Ukraine lediglich Geländegewinne von siebzehn Kilometern Tiefe gemacht.

Saluschnyj gab zu, seine Einschätzung sei falsch gewesen, dass die russischen Truppen ausbluten. «Das war mein Fehler», sagte er. «Russland hat 150.000 Soldaten verloren. In jedem anderen Land hätten solche Verluste den Krieg beendet.» Doch in Russland zählten Menschenleben wenig. Ausserdem habe der grosse Nachbarn eine dreimal höhere Bevölkerungszahl als die Ukraine. Über eigene Verluste machte er keine Angaben. Derzeit habe die Ukraine noch genügend Soldaten, so der Oberkommandierende. «Aber je länger der Krieg andauert, desto schwieriger wird es.»

Indirekt klang in Saluschnyjs Worten Kritik an den westlichen Verbündeten an, allen voran den USA und Grossbritannien, die eng in die Vorbereitungen der Offensive eingebunden waren und diese massgeblich skizziert hatten. «Würden wir nach den Textbüchern der Nato und unseren Berechnungen gehen, hätten vier Monate ausreichen sollen, um die Krim zu erreichen, auf der Krim zu kämpfen, von der Krim zurückzukehren und immer wieder hin und her zu gehen», sagte der Offizier mit offenkundigem Sarkasmus. Doch stattdessen blieben seine Truppen in russischen Minenfeldern und Befestigungen stecken.

«Zuerst dachte ich, dass etwas mit den Kommandeuren nicht stimmte, und daher wechselte ich einige von ihnen aus. Dann dachte ich, dass unsere Soldaten nicht gut genug seien, und ich verschob einige in andere Brigaden», erinnerte sich Saluschnyj. Als er gesehen habe, dass nichts funktioniere, habe er sich an ein altes sowjetisches Militärlehrbuch aus den vierziger Jahren erinnert und erkannt, dass nur ein technologischer Sprung in der Waffentechnik Erfolge bringen würden. Dazu gehörten Drohnen, elektronische Kriegsführung, Artillerieabwehr und Minensuchgeräte.