Wir leben in einer Zeit der Zeitenwenden. Hat sich das grosse Wort daher vielleicht abgenutzt?

Das würde erklären, warum die jüngste Zeitenwende im Westen ignoriert wurde.

Moskau nennt das Vorgehen in der Ukraine erstmals «Krieg». Bisher war von einer «speziellen Militäroperation» die Rede.

Kein Hinterbänkler in der Duma hat das gesagt, sondern Dmitri Peskow, Sprecher von Staatschef Wladimir Putin.

Die neue Wortwahl ist kein Versprecher, sondern eine echte Wende – abzulesen daran, dass Russland vermehrt zivile Infrastruktur und die Westukraine angreift. Ein Krieg wird anders geführt als eine Operation.

Umso erstaunlicher die verhaltene Reaktion westlicher Politiker und Medien, die doch sonst stets hyperventilieren, wenn Moskau an der Eskalationsschraube dreht.

Stecken sie den Kopf in den Sand? Nehmen sie Putin nicht ernst?

Das wäre falsch, denn er meint es todernst.

Das Wort Krieg wiegt schwer für Russen, es beschwört den Zweiten Weltkrieg herauf. Bei Krieg stellt man sich auf das Schlimmste ein.

Anders als im Westen, wo das Wort alltäglich und banal wurde.