Wo war Granit Xhaka? Der Mann, der für sich die Leader-Rolle in Anspruch nimmt und die lautesten Töne verbreitet, bleibt im wichtigsten Moment ohne Einfluss aufs Spiel.
Die Schweizer Nationalmannschaft kommt gegen Portugal meistens einen Schritt zu spät – und geht sprichwörtlich unter. Sie verliert im Mittelfeld die Zweikämpfe und bringt in der Vorwärtsbewegung kaum etwas Konstruktives zustande. Vor allem kämpft sie in der Defensive (erfolglos) um die Balance. Weshalb Trainer Murat Yakin auf Nico Elvedi verzichtet – und stattdessen auf Fabian Schär setzt, bleibt ein Geheimnis.
Sein Gegenüber Fernando Santos dagegen macht alles richtig. Er lässt – das erste Mal an einer WM- oder EM-Endrunde seit 2008 – Cristiano Ronaldo auf der Bank und ruft damit die anderen Spieler in die Verantwortung.
Der Plan geht perfekt auf: Portugal läuft, Portugal spielt, Portugal trifft: Nach 17 Minuten erzielt Gonçalo Ramos, der Mann, der für Ronaldo nominiert wurde, das 1:0, in der 33. Minute trifft Pepe per Kopf zum 2:0. Die Schweizer hatten sich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine valable Chance erarbeiten können. Und kurz nach der Pause sorgt Ramos (51.) für die vorzeitige Entscheidung. Der Rest ist Kür (aus Sicht der Portugiesen) und Pflicht (für die Schweizer).
Im Raum bleibt der Verdacht, dass die Diskussionen um Kapitän Xhaka nach dem Spiel gegen Serbien doch mehr Energie und Substanz gekostet hat, als man zugeben wollte.
Was bleibt? Die Schweiz hat an der WM das Soll erfüllt. Nicht weniger, aber definitiv nicht mehr. Und die Ankündigung von Granit Xhaka, «Wir wollen Weltmeister werden», tönt nach zweieinhalb WM-Wochen wie ein leicht entrückter Weihnachtswunsch.
Falls sich jemand für Küchenpsychologie interessiert: Bei Auswechslungen während des Matches pflegen sich bei Latinos die Betreffenden meistens zu umarmen. Der Mann, der das Spielfeld verlässt, wünscht seinem Nachfolger allerbesten Erfolg.Und der Neue scheint für die bereits geleistete Arbeit zu danken. Schweizer umarmen sich nicht, sondern klatschen sichtbar lustlos ab. Dabei kann der Austretende gekränkter Stolz nicht verbergen. Ob schlechte Laune eines Kamerades den Nachfolger wohl beflügelt?