Sensation, Erdbeben, tektonische Verschiebung. Begriffe, welche gegenwärtig inflationär verwendet werden, jedoch an diesem Wahlsonntag durchaus zutreffend sind. Die Freiheitlichen haben ihre Stimmen verdoppelt und die Grünen wurden halbiert. Also der genau gegenläufige Trend zur Meinungsherrschaft in den Medien.
Die FPÖ zieht eindrucksvoll an den beiden Landesregierungsparteien ÖVP und SPÖ davon auf den mit Abstand ersten Platz. 34,8 Prozent und ein Plus von 17 Prozent. Damit sind die Freiheitlichen erstmals ausserhalb von Kärnten bei einer Landtagswahl an der Spitze. Und durch den grossen Abstand zum Zweiten von 8 Prozent hat FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek sehr gute Chancen, der erste freiheitliche Landeshauptmann – nach Jörg Haider und Gerhard Dörfler in Kärnten – zu werden.
Volkspartei und Sozialdemokraten, welche seit 2010 in einer sogenannten Reformpartnerschaft miteinander regieren, liegen abgeschlagen bei 26,8 Prozent beziehungsweise bei 21,4 Prozent. Ein Minus von 9 beziehungsweise 1,6 Prozent. Als Möglichkeiten verbleiben, mit Kunasek zu regieren oder eine Koalition der Verlierer mit den Grünen auch auf Landesebene zu schmieden. Denn die einstmals Grosse Koalition hat keine eigene Mehrheit mehr.
Auch bei den Kleinparteien regiert der Katzenjammer. Vor allem wurden die Grünen auf 6 Prozent halbiert, deren inoffizieller Frontmann Werner Kogler fünf Jahre als Vizekanzler in Wien fungierte. Neos und KPÖ kommen zwar in den Landtag, aber mit 5,9 und 4,4 Prozent unter «ferner liefen».
Bei der Mandatsverteilung wird deutlich, dass die FPÖ mit künftig siebzehn Abgeordneten entweder mit der ÖVP, dreizehn Mandate, oder der SPÖ, elf Mandate, eine Landesregierung bilden kann. Die einzige Alternative wäre eine Blockadekoalition unter Beifügung der drei Grünen Abgeordneten.
Dass die Parteien mit ihren historisch schlechtesten Ergebnissen gegen die Partei mit ihrem historisch besten Ergebnis koalieren, wäre unter normalen Umständen ausgeschlossen. Da jedoch die ÖVP darangeht eine Blockadekoalition auf Bundesebene einzuzementieren, kann eine Ausweitung des Cordon sanitaire auf steirischer Landesebene durchaus ihre eigene Logik besitzen.
Andererseits ist es denkbar, dass die «grüne Mark» als Blockadebrecher wirkt und in Wien die taktischen Strippenzieher eine Umkehr vornehmen. Jedenfalls kann Kickl Wahlsieg um Wahlsieg auf Landesebene ernten oder dem Kanzleramt einen grossen Schritt nähergekommen sein.
Letztlich ist das Wahljahr 2024 tatsächlich historisch. Mit einem historisch erstmaligen ersten Platz bei einer Europawahl, bei einer Nationalratswahl und nunmehr bei einer Landtagswahl ausserhalb von Kärnten.
Ich freue mich für die FPÖ, befürchte aber es gibt eine Koalition der ewiggestrigen!
Glückwunsch, ein erster Schritt zurück zur Demokratie!
Die Schweizer sind wahrscheinlich die letzten, die es merken.