Einen Fall von «sittenwidrigem Missbrauch der Justiz» stellte das Landgericht Frankfurt schon 2007 fest: Damals ging es um einen Missbrauch zu geschäftlichen Zwecken. Die Ausnutzung der Justiz aus politischen Motiven kommt in Deutschland sehr viel häufiger vor – und zwar mit steigender Tendenz.

Im jüngsten Fall erstattete Thüringens grüner Umweltminister Bernhard Stengele Anzeige gegen den AfD-Politiker Björn Höcke wegen Volksverhetzung. Begründung: Dessen Partei habe ihrem Wahlprogramm ein Gedicht von Franz Langheinrich vorangestellt; Langheinrich sei ab den 1920er Jahren Anhänger der Nationalsozialisten gewesen.

Das besagte Gedicht stammt allerdings von 1911, und es besingt völlig unpolitisch Thüringens Landschaft. Die Anzeige reicht trotzdem für die Schlagzeile: «Strafanzeige gegen Höcke» – und zwar wenige Wochen vor der Landtagswahl. Möglicherweise legt ein Staatsanwalt sogar eine Akte an («Ermittlungen gegen Höcke»), bevor er das absurde Verfahren einstellt.

In der Vergangenheit gab es schon ähnliche Showanzeigen: etwa gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron, der angeblich einen Hitlergruss gezeigt haben soll. Auf dem betreffenden Video sah zwar jeder, dass dies nicht der Fall war. Trotzdem leitete die Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren ein, das natürlich mit Einstellung endete – aber vorher die erwünschten Schlagzeilen produzierte. Der EU-Abgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann warf eine Anwaltskanzlei kürzlich vor, Ressourcen der Justiz zu missbrauchen: Die FDP-Politikerin hatte einen Bürger wegen einer angeblichen Beleidigung vor Gericht gezerrt, die sich als völlig legale Meinungsäusserung entpuppte.

Während etliche Ermittlungen ausschliesslich der politischen Stimmungsmache dienen, kommen immer wieder mutmassliche Straftäter selbst bei schweren Gewalttaten davon oder aus der U-Haft frei, weil Anklageschriften nicht rechtzeitig vorliegen.

Die routinemässige Begründung der Behörden: Es fehlt an Personal.