Dieser Text erschien zuerst auf dem Onlineportal Nachdenkseiten.
Während die überwältigende Mehrheit in Politik und Medien den Krieg in der Ukraine bis zu einem Sieg – wie auch immer der aussehen soll – der Ukraine weiterführen will, bevorzugt eine ebenso überwältigende Mehrheit der Menschen eine Verhandlungslösung dafür, das Blutbad zu stoppen und den Konflikt nicht zu einem Dritten Weltkrieg eskalieren zu lassen. Dies gilt sowohl für Deutschland, Grossbritannien und Frankreich als auch für die USA – also die grössten Unterstützer der Ukraine im Krieg. Dies ist eines der Ergebnisse einer aktuellen Studie des Institute for Global Affairs, einem Think-Tank der Eurasia Group, einem reputablen amerikanischen Beratungsunternehmen, das auf die Analyse geopolitischer Risiken spezialisiert ist. Die Völker wollen Frieden. Der politisch-mediale Komplex will Krieg.
Während in der Bevölkerung die Rufe nach einer Beendigung des Ukraine-Kriegs durch eine Aufnahme von Verhandlungen immer lauter werden, für die sich auch die Nato-Mitglieder nun starkmachen sollen, kursieren im politisch-medialen Komplex vor allem zwei Argumente, mit denen der Wunsch nach baldigen Verhandlungen gekontert wird.
Nein, Russland muss militärisch weiter geschwächt werden, bevor die Ukraine so viel Druckmittel wie möglich bei später kommenden Verhandlungen einsetzen kann. Nein, es ist der Kampf der Ukraine, und der Westen sollte nicht versuchen, Einfluss darauf zu nehmen, wie sie den Krieg gewinnen oder beenden will. Sind diese beiden Positionen in den westlichen Medien und in der westlichen Politik dominant, werden sie doch nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung ebenfalls vertreten.
Beide Positionen werden in den USA lediglich von 17 Prozent der Befragten geteilt. In Westeuropa, genauer den Ländern Deutschland, Frankreich und Grossbritannien, vertreten 19 Prozent Position 1 und 17 Prozent Position 2 – diese Werte lassen sich übrigens nicht addieren, da bei der Befragung bis zu zwei Antworten möglich waren. Weitere 6 Prozent der Amerikaner und 3 Prozent der Westeuropäer lehnen einen Druck der Nato-Staaten zu einer Aufnahme von Verhandlungen übrigens mit dem Argument ab, Russlands Forderungen seien berechtigt, und der Westen sollte sich heraushalten.
Stattdessen erhalten die Argumente, die sich dafür aussprechen, dass die Nato-Staaten Druck für baldige Verhandlungen ausüben, sowohl in den USA als auch in Westeuropa von den Befragten sehr hohe Zustimmung.
Ja, solange die Ukraine noch ein Druckmittel hat, sollte der Westen sie drängen, sich mit einem unvollkommenen Sieg zufrieden zu geben. Ja, der Westen verfügt nicht über die industriellen Kapazitäten, um sich selbst zu schützen und gleichzeitig die ukrainischen Kriegsanstrengungen zu unterstützen. Ja, der Krieg hat Hunderttausende von Menschen getötet oder verletzt, und er muss beendet werden.
In den USA werden diese Positionen von einer breiten Mehrheit der Befragten unterstützt. Position 1 wird von 27 Prozent der Befragten geteilt, Position 2 von 17 Prozent und Position 3 sogar von 50 Prozent – auch hier waren bis zu zwei Antworten möglich, so dass man die Ergebnisse nicht aufaddieren kann. Auch in Westeuropa bekam Position 3 die höchste Zustimmung. Hier waren es 51 Prozent. Position 1 kam in Westeuropa auf 17 Prozent, Position 2 auf 20 Prozent.
Die Studienautoren schreiben dazu:
«Die Menschen wollen, dass die westlichen Regierungen eine Verhandlungslösung fördern, vor allem wegen des hohen Blutzolls.»
In einer weiteren Frage wollte die Studie von den Befragten wissen, welche Ziele ihr Land im Ukraine-Krieg vorrangig verfolgen sollte. Auch hier waren bis zu zwei Antworten möglich, und auch hier spiegeln die Antworten der Befragten die Schlagrichtung der politisch-mediale Debatte keinesfalls wider.
In Westeuropa wird als wichtigstes Ziel die Vermeidung einer Eskalation des Konflikts genannt, in den dann weitere europäische Staaten mit hineingezogen werden könnten. 47 Prozent der Westeuropäer sehen dies als wichtigstes Ziel, 38 Prozent der Amerikaner ebenfalls. In den USA ist mit 45 Prozent die Vermeidung eines direkten Kriegs zwischen Atommächten das am häufigsten gewünschte vorrangige Ziel – in Westeuropa wurde diese Antwort von 43 Prozent der Befragten gegeben. Es folgt mit 30 Prozent (Westeuropa) und 35 Prozent (USA) das Verhindern weiteren Leidens der ukrainischen Bevölkerung.
Die seitens des politisch-medialen Komplexes immer wieder priorisierten Ziele finden indes deutlich weniger Zustimmung. So sehen nur 22 Prozent der Westeuropäer und 27 Prozent der Amerikaner die vollständige Wiederherstellung der Grenzen von vor 2022 als vorrangiges Ziel, das der Westen durchsetzen sollte. Nach der in Deutschland teils immer noch kommunizierten Wiederherstellung der Grenzen von vor 2014 wurde interessanterweise noch nicht einmal gefragt.
Die Abschreckung autoritärer Staaten, in schwächere Nachbarstaaten einzufallen, nennen in den USA 23 Prozent und in Westeuropa 19 Prozent der Befragten als wichtigstes Ziel – auch diese Position ist in den Talkshows sehr präsent. Russland zu schwächen und für seine Aggression zu bestrafen – ein Lieblingssatz der Grünen in Deutschland – wird nur von 16 Prozent der Amerikaner und 17 Prozent der Westeuropäer so als vorrangiges Ziel geteilt.
Dazu schreiben die Studienautoren:
«Die Tatsache, dass die Europäer offenbar mehr als die Amerikaner über eine Eskalation besorgt sind, sollte nicht überraschen. Die USA selbst sind von dem Konflikt gut isoliert. Tatsächlich war die einzige Antwortmöglichkeit, die von einer Mehrheit der Befragten gewählt wurde in Deutschland – dem Land, das dem Konflikt am nächsten ist und am meisten Geld für die Sicherheit in Europa ausgibt –, wo 52 Prozent der Befragten der Vermeidung einer Eskalation den Vorrang einräumen. […]
Die Daten zeigen, dass die Menschen sich der Risiken einer Eskalation bewusst sind und die Notlage der Ukrainer mitfühlen, aber sie sind weniger eindringlich als ihre politischen Führer, die behaupten, dieser Krieg müsse für die Sache der Demokratie selbst oder zur vollständigen Zurückdrängung Russlands auf seine Grenzen vor der Invasion geführt werden.»
Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Man kann nur hoffen, dass die Politik dem Willen ihrer Bevölkerung schon bald folgt.
Jens Berger ist freier Journalist und Chefredaktor der Nachdenkseiten. Er publizierte mehrere Sachbücher, darunter «Der Kick des Geldes» (Westend, 2015) und der Spiegel-Bestseller «Wem gehört Deutschland?» (Westend, 2014).
Mag alles richtig sein, doch Putin und die Russen wollen ja gar keinen Frieden, aber das kapiert man bei der WW halt nicht. Immer schön die Wahrheit biegen und dabei übersehen, dass die überwiegende Mehrheit in Russland keinen Frieden, sondern Kapitulation der Ukraine möchte. So what WW?
Leider wird es in naechster Zeit keinen Frieden dort geben, so oder so. Ein Waffenstillstand wird es dann geben, wenn RU seine Ziele erreicht hat: NEUTRALITY und NON-MEMBERSHIP in NATO ; dies nur durch eine Kapitulation der Ukr geschehen.Es sei denn, dass Donald Trump anfangs Jan 2025 die Ukr zu einem Waffenstillstand zwingt, und dies in der Nato durchsetzt.....und dies auch nur dann, wenn die Dems nicht die Wahlen faelschen..Die Regierungen in Ost und Westeuropa haben sich total verrannt, und koennen keine Mediation durchfuehren.
Der Papst befürwortet auch die Massenmigration des angeblich globalen Südens, weil dort seine Schäfchen sind. Und Putin hat gemerkt, dass der Sieg nicht so einfach wird. Und schwupp will er nicht mehr die Ukraine von allen Nazis befreien, sondern er will angeblich nur noch seine bisherige Beute behalten und der Ukraine ein paar saftige Einschränkungen auf's Auge drücken. Die Weltwoche kommt kaum noch hinterher mit Umformulieren ihrer Putin-Unterstützung. Witzig, wenn es nicht abstossend wäre.