Ab heute steht Donald Trump als erster Ex-PrÀsident und als erster PrÀsidentschaftskandidat in der Geschichte der USA vor Gericht.

Der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, Alvin Bragg, wird versuchen, die Geschworenen davon zu ĂŒberzeugen, dass Trump im Zusammenhang mit Schweigegeld-Zahlungen sage und schreibe 34 Straftaten begangen hat.

Es ist ein Prozess, der nie stattfinden wĂŒrde, hiesse der Angeklagte nicht Donald Trump.

Worum geht es?

Stephanie Gregory Clifford, die als Stormy Daniels im Porno-Zirkus mit Streifen wie «Hell on High Heels» oder «Space Nuts» fĂŒr Furore sorgte, macht geltend, dass es anno 2006 zu einem intimen Austausch zwischen ihr und Herrn Trump gekommen sei.

Zehn Jahre nach dem angeblichen rencontre stand Trump als Kandidat fĂŒr die US-PrĂ€sidentschaft im Rennen. Und just in jenem Moment drohte Stormy gegenĂŒber Trump wiederholt, einen Sturm zu entfachen, falls er kein Schweigegeld lockermache.

«Es gibt keine Beweise, die Daniels’ Behauptung ĂŒber die AffĂ€re untermauern, und ihre GlaubwĂŒrdigkeit ist ebenfalls gleich null», schreibt die Online-Zeitung The Hill. Stormy Daniels’ Verhalten könne man «nur als Erpressung bezeichnen».

Kurz vor der Wahl 2016 liess Trump ĂŒber seinen Anwalt der furiosen Darstellerin 130.000 Dollar ĂŒberweisen. (Was diese freilich nicht daran hinderte, spĂ€ter mit der Geschichte an die Öffentlichkeit zu platzen.)

Eine solche Vertraulichkeitsvereinbarung ist nicht illegal. In der aktuellen Anklage gegen Trump geht es denn auch nicht um «Schweigegeld» per se, sondern um die Abwicklung desselben. Konkret wird Trump vorgeworfen, er habe die Zahlung unrechtmÀssig verbucht und auf widerrechtliche Art zu verschleiern versucht.

Um seine Anklageschrift aufzupeppen, fĂŒhrte Anwalt Bragg jede angeblich unrechtmĂ€ssig verbuchte Rechnung und jeden Scheck separat auf und kam so auf die bombastische Zahl von 34 Anklagepunkten.

Auch wenn Falschbuchungen von Schweigegeld belegt werden können, reicht dies nicht zu einer Verurteilung. Denn eine Falschbuchung ist nach New Yorker Recht bloss ein Vergehen und nicht ein Verbrechen. Der Tatbestand eines Verbrechens wĂ€re erst dann erfĂŒllt, wenn Trump mit Falschbuchungen ein zweites Delikt vertuschen wollte.

Anwalt Bragg glaubt ein solches gefunden zu haben. Er will zeigen, dass Trump eine Verletzung von Regeln zur Wahlkampffinanzierung begangen hat. Denn, so der Anwalt, die Zahlungen seien unmittelbar vor der Wahl 2016 verbucht worden. Konkret: Trump habe das Bekanntwerden einer ausserehelichen AffÀre verhindern wollen, um seine Wahlchancen zu wahren und dem Image seiner Firma nicht zu schaden.

Dies zweifelsfrei zu beweisen, ist fĂŒr Anwalt Bragg kein einfaches Unterfangen. Denn ebensogut könnte Trump aus privaten Motiven gehandelt haben, um eine peinliche Geschichte diskret unter Verschluss zu halten.

Es ist kein Zufall, dass sowohl die Bundesbehörden als auch der ehemalige Staatsanwalt von New York davor zurĂŒckgeschreckten, Trump wegen genau dieser VorwĂŒrfe strafrechtlich zu verfolgen. Braggs eigener VorgĂ€nger, Cyrus Vance, hatte zweimal die Schweigegeldzahlung untersucht und verzichtete darauf, eine Anklage zu erheben.

Doch weil es um Trump geht, liessen seine Feinde nicht locker.

«Der neugewĂ€hlte demokratische Staatsanwalt (Alvin Bragg) stand unter politischem Druck, etwas zu unternehmen», schreibt das Wall Street Journal. «Seine Top-StaatsanwĂ€lte, die fĂŒr Trump zustĂ€ndig waren, kĂŒndigten entnervt, und die Medien machten ihn dafĂŒr verantwortlich, dass er in den ersten Monaten seiner Amtszeit keine Anklage gegen Trump erhoben hatte.» Jetzt werde die Öffentlichkeit Zeuge «eines juristischen Irrwegs, der nicht hĂ€tte beschritten werden dĂŒrfen».

Noch deutlicher wird Alan Dershowitz, Doyen der US-amerikanischen Strafrechtler: «In sechzig Jahren Praxis und LehrtÀtigkeit im Strafrecht habe ich, glaube ich, noch nie einen schwÀcheren Fall gesehen als diesen New Yorker Fall.»

Er habe nie fĂŒr Trump gestimmt und werde dies auch im November nicht tun, so Dershowitz. Doch es gehe nicht an, dass jemand aus politischen Motiven juristisch verfolgt werde. Und genau dies sei hier der Fall: «Er (Trump) wird wegen etwas angeklagt, dasÂ ĂŒberhaupt nicht kriminell ist.»

Wenn es zu einer Verurteilung komme, werde dieser Fall «einen schrecklichen, schrecklichen PrÀzedenzfall» schaffen, so Dershowitz weiter. Doch eine Verurteilung sei nicht auszuschliessen, «denn wir sind in New York City, und die Geschworenen werden von ihren politischen Ansichten beeinflusst».