Wer einen Eindruck davon bekommen will, welche grundstürzende Panik die Amtsübernahme von Donald Trump im linksliberalen Lager auslöst, der konnte es am Sonntag im wöchentlichen Mail-Editorial von Spiegel-Chefredakteur Dirk Kurbjuweit nachlesen: «Sonntag, der 19. Januar 2025, ist der Tag vor der Amtsübernahme von Donald Trump. Vielleicht gilt er eines Tages als der letzte Tag einer alten Welt.» Ein kleiner Weltuntergang für das offenbar einst so sicher geglaubte linke Damals.

«Trump hat den Willen und die Wucht, die Welt zu verändern», schreibt Kurbjuweit. «Sie soll so werden, wie sein Amerika sie seiner Meinung nach braucht, mit einem gefügigen Kanada, einem gefügigen Mexiko, einem gefügigen Grönland, einem Panamakanal unter US-Kontrolle, einer Nato, deren europäische Mitgliedsländer entweder Unsummen in die Rüstung investieren oder schutzlos dastehen, mit einem minimalen Klimaschutz, mit einer radikalen Durchsetzung amerikanischer Geschäftsinteressen, zum Beispiel über Zölle, mit einer schrankenlosen Kommunikation in sozialen Netzwerken zum Nachteil der Schwächeren und womöglich mit einer US-Demokratie, die autoritäre Züge zeigt. Imperialismus, Autoritarismus, Egoismus, das könnte die Trias von Trumps Herrschaft werden.»

Vielleicht mache er die Welt «auch hier und dort besser, trägt womöglich zu einem Frieden in der Ukraine bei. Auf jeden Fall werden wir ab morgen in einer Trump-Welt leben, mit Seltsamkeiten am Fliessband, die unsere Gedanken pausenlos beschäftigen werden.»

Es ist eine Welt, die nach der mechanischen Vorstellung linker Ideologen eigentlich nicht sein darf, weil man sich auf einer Art emanzipatorischem Aufwärtspfad wähnt, den man zu Zeiten des Marx’schen Sozialismus’/Kommunismus’ als «historische Mission» bezeichnet hätte. Die Geschichte der Menschheit laufe gewissermassen schicksalhaft und unentrinnbar auf festen Gleisen jener lichten Zukunft zu.

Was in Teilen des konservativen Lagers in Deutschland die Hoffnung nährt, dass Trump die schlimmsten Auswüchse von Wokeness, Gender-Ideologie und Cancel-Culture im Netz zurückdrehen werde, ist in den Augen des linksliberalen Lagers eine üble Attacke der Reaktionäre gegen errungenes Terrain, die mit allen Mitteln zurückgeschlagen werden muss.

Wenn nach den Anschlägen von Mannheim, Solingen und Magdeburg die multikulturelle Illusionswelt der naiven Migrationspolitik vor aller Augen blutig, ja tödlich widerlegt und ihr Scheitern offenbar wird, demonstrieren am Abend Tausende in Magdeburg «gegen rechts» und für ein weltoffenes Deutschland. Was hier geradezu militant eingefordert wird, ist das Anrecht auf Festhalten an einem gescheiterten Weltbild.

Mit anderen Worten: Der Amtsantritt von Donald Trump wird auch in Europa einen ideelen und vielleicht auch materiellen Schub für jene Bewegungen auslösen, die verächtlich als «Populisten» bezeichnet werden. Und die Motiviertheit ihrer Gegner wird wachsen, weil man diese Entwicklung nicht als demokratisches Wechselspiel akzeptiert, sondern als ein unzulässiges, falsches, geradezu gefährliches sitten- und regelwidriges Rollback.

In Deutschland treffen zwei unheilvolle Tendenzen aufeinander: eine ans Selbstzerstörerische grenzende Duldsamkeit und Konfliktscheu des bürgerlichen Lagers gegenüber linken Strömungen und eine völlig übersteigerte, fordernde Aggressivität der linken Milieus, die man in dieser nachsichtigen Toleranz und durch Verzicht auf intellektuelle Gegenwehr hat wachsen lassen.

Deshalb wird in Deutschland nicht oder nur unzureichend die Einsicht Raum gewinnen, dass Trump und seine Politik eine Korrektur von Fehlentwicklungen innerhalb der westlichen Welt darstellt, über deren Ursachen selbstkritisch nachzudenken wäre. Vielfach wird man Trump stattdessen mit trotziger Abwehr begegnen.

Der FAZ-Leitartikel beschreibt diese Konfrontation sehr gut: «Trump ist die personifizierte Antithese von fast allem, wonach sich Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten gerichtet hat und woran der Grossteil seiner politischen Klasse immer noch glaubt: die Integration in eine arbeitsteilige Weltwirtschaft, Sicherheit durch Verträge (früher auch durch Abrüstung), Freihandel, Klimaschutz, internationale Zusammenarbeit auf nahezu jedem Feld, Offenheit für Migration. Hinzu kommen gesellschaftspolitische Differenzen, von Diversität bis Meinungsfreiheit.»

FAZ-Autor Nikolas Busse bringt es auf den Punkt: «Selbst eine CDU-geführte Bundesregierung würde sich seltener auf einer weltanschaulichen Linie mit Washington wiederfinden, als sie das als traditionell transatlantisch ausgerichtete Partei gewohnt ist. Es ist kein Zufall, dass Musk die AfD unterstützt. Sie ist die einzige deutsche Partei, die an Trumps Weltsicht anknüpft.»

Mit anderen Worten: ungemütliche Zeiten.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.