Zu jedem Jahreswechsel werden unzählige Prognosen publiziert. Einige davon verdienen besondere Aufmerksamkeit, denn sie beschäftigen sich mit Ereignissen, die niemand erwartet, die aber dennoch eintreten könnten. Seit Jahren trumpft die Saxo-Bank mit einer Auswahl von «unglaublichen Vorhersagen» auf. Auch wenn sie unmöglich erscheinen, muss man konstatieren, dass die eine oder andere Horrorvorstellung in den letzten Jahren dennoch zur Realität geworden ist.

Von den letztjährigen Saxo-Prognosen trafen glücklicherweise die meisten nicht ein. Der Erdölpreis stieg nicht wie prognostiziert auf 150 Dollar pro Fass an, was es Saudi-Arabien erlaubt hätte, die Fussballweltmeisterschaft zu kaufen. Aber die WM 2034 ging dennoch an Saudi-Arabien. Schlankheitspillen haben die Leute nicht zu einem Mehrkonsum von Fast Food verleitet, weshalb die Aktien von Coca-Cola und McDonald’s den Markt nicht um 60 Prozent übertroffen haben. Die USA haben keine Steuerbefreiung ihrer Staatsanleihen eingeführt, weil das Ausland nicht mehr bereit sei, US-Staatsschulden zu kaufen. Das Gegenteil trat ein, der Absatz von Staatsanleihen im Ausland nahm sogar zu. Es kam zwar zu keiner Staatskrise wegen AI-Deep-Fake-Manipulationen, aber solche Aktivitäten haben zugenommen. Die Angst, dass die Geldpolitik- und die Staatsschulden ausser Kontrolle geraten werden, haben, wie von Saxo angekündigt, grosse Kursgewinne für Gold, Silber und Kryptowährungen gebracht. Robert F. Kennedy ist zwar nicht US-Präsident geworden, aber er soll nun Gesundheitsminister werden. Die japanische Wirtschaft hat nicht zu einem unerwartet starken Wachstumsschub angesetzt, und der Yen hat sich entsprechend nicht erholt. Welche Überraschungen hält die Bank 2025 für möglich?

  • Der US-Dollar verliert als Handelswährung massiv an Bedeutung, weil China und die Brics+ wegen der hohen Strafzölle Alternativen zum US-Dollar für ihre Zahlungen entwickeln werden. Im Vordergrund stehen goldgesicherte digitale Währungen. Die Europäer sollen noch stärker auf den Euro setzen. Der Krypto-Markt vervierfacht sich auf 10.000 Milliarden US-Dollar. Der Dollar verliert 20 Prozent gegen die meisten Währungen, was die Inflation in den USA anheize.
  • Die Kursexplosion von Nvidia geht weiter, und der Unternehmenswert erreicht 7000 Milliarden US-Dollar oder 10 Prozent der weltweiten Börsenkapitalisierung. Die Nachfrage nach den energieeffizienten, leistungsstarken Blackwell-Chips sei der Grund dafür. Apple und die übrigen Tech-Giganten würden relativ einbüssen, weil sie enorme Summen für den Bau neuer Giga-Daten-Center aufwenden müssten.
  • China wird ein 50.000 Milliarden Yuan (=7000 Milliarden US-Dollar) schweres Konjunkturpaket starten mit digitalem Geld für den Konsum. (Zum Vergleich BIP China 2023: 18.000 Milliarden US-Dollar). Es kommt zu einem weltweiten Inflationsanstieg, steigenden Rohstoffpreisen und einer Erstarkung des Renminbi.
  • Das erste biogedruckte menschliche Herz läutet den Beginn einer Langlebens-Ära für die Menschheit ein, denn auch die industrielle Herstellung anderer menschlicher Ersatzteile wird folgen. Die Gesundheitsindustrie wird revolutioniert.
  • Preissenkungen für Elektromobile werden deren Absatz fördern und die Opec-Länder in Bedrängnis bringen. Die Erdölpreise sinken massiv und führen zu einem Boom im Luftverkehrt, in der Chemie, der Farben- und Reifenherstellung, aber auch für Fracht- und Logistik-Unternehmen.
  • Die neuen KI-Daten-Zentren benötigen derart viel Strom, dass es zu massiven Preiserhöhungen und Druck auf die Politik kommt. Ein massiver Ausbau der Stromproduktionsanlagen wird Unternehmen wie Fluor beflügeln. Tesla wird den Bau von Megapack-Anlagen (leistungsstarke Batterie für die Energiespeicherung und -unterstützung zur Stabilisierung des Netzes und zur Vermeidung von Stromausfällen) beschleunigen.
  • Das britische Pfund wird gegenüber dem Euro deutlich zulegen, weil die EU-Wirtschaft weiterhin stagniert und das Vertrauen in die britische Politik zurückkehrt.
  • Eine grosse Naturkatastrophe führt erstmals zu einer Insolvenz einer grossen Rückversicherung. Die überlebenden Rückversicherer werden von höheren Prämien profitieren.

Die zweiten, immer mit Spannung erwarteten Vorhersagen stammen von der Eurasia-Group, einem global präsenten Think-Tank. Diese Experten beschäftigen sich nicht nur mit einer fundierten generellen Lagebeurteilung, sondern auch mit den red herrings, mit einem Kontrastprogramm zu den üblichen Prognosen. Vor Jahresfrist befürchtete Eurasia zunehmende Spannungen zwischen den USA und China und eine Übernahme der Politik in Europa durch Rechtsparteien. Das ist im EU-Parlament nicht ganz gelungen, aber in mehreren Ländern kam es zu einem Rechtsrutsch. Und schliesslich wurde eine Verhärtung der Fronten zwischen den Brics und den G-7-Ländern in Aussicht gestellt. Auch diese Befürchtungen erwiesen sich als richtig, denn die Brics haben ihre Partnerschaften ausgeweitet und ein eigenes Zahlungssystem oder eine Ersatzwährung für den US-Dollar andiskutiert. Für 2025 thematisiert die Eurasia-Group folgende drei Überraschungen:

Trump erfüllt die Erwartungen nicht, obwohl er an der Spitze der wirtschaftlich und politisch mächtigsten Macht der Welt steht und das Land heute stärker dasteht als zu Beginn seiner ersten Amtszeit im Jahr 2017. Die drei Hauptgegner China, Russland und Iran stehen heute geschwächt da. China kämpft mit der tiefsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, Russland hat sich im Ukraine-Krieg verrannt. Der Iran hat seit dem Krieg Israels gegen die Hamas und die Hisbollah und nach dem Fall Syriens viel Einfluss verloren. Trumps Macht ist diesmal innenpolitisch mit Mehrheiten in beiden Parlamentskammern besser abgesichert. Trump hat heute auch mehr ideologische Freunde in der Welt, sei es in der G-7, der G-20 oder der Nato. Deshalb führt heute kein Weg mehr an ihm vorbei. Dennoch ist fraglich, ob er den Ukraine-Krieg beenden, höhere Nato-Beiträge der Bündnispartner erreichen, in Nahost Frieden schaffen, eine Normalisierung zwischen Saudi-Arabien und Israel, einen neuen Atomvertrag mit dem Iran und einen grossen Deal mit China zustande bringen wird.

Auseinanderbrechen Europas. Krisen haben die EU-Länder in der Vergangenheit jeweils näher aneinandergeschmiedet. Diesmal könnten die Zentrifugalkräfte aber Oberhand gewinnen. Europas wirtschaftliches Malaise, die russische Bedrohung, die Rüstungslücken und der wirtschaftliche Druck aus den USA in Form von Schutzzöllen bedrohen die Einheit Europas und könnten zu einem Bruch führen.

«Energiewende» findet ein rasches Ende. Die Energiewende hat zwar die erste Trump-Präsidentschaft überlebt. Aber die Skepsis gegenüber vielen Energie-Programmen hat zugenommen. Deshalb ist fraglich, ob die Subventionierung alternativer Energien und andere Massnahmen zur Verhinderung der Erderwärmung auch während der zweiten Trump-Regentschaft fortgeführt werden.