Was der Linken-Politiker Gregor Gysi da als Alterspräsident des 21. Deutschen Bundestags in seiner Eröffnungsrede abgeliefert hat, war so ziemlich der schlechteste und peinlichste Auftritt, den das Hohe Haus seit der Wiedervereinigung gesehen hat.

Und eine Frechheit noch dazu.

Allein die beiläufige Bemerkung gleich eingangs, er habe erst seit 1990 an freien Wahlen teilnehmen können, ist geradezu bodenlos, war es doch seine langjährige Partei, die SED, die die Spaltung mit Hingabe zelebrierte und bis zum Schluss (Honecker: «noch in hundert Jahren») für segensreich hielt.

Wenn man so einsteigt, ist man ganz gewiss nicht autorisiert, anderen die Leviten zu lesen. «Man sollte mit Wahrheiten Wahlen gewinnen», so Gysi, vermutlich an die Adresse der Union. Ein Mann, dessen ehemalige Staatspartei Wahlen fälschen liess, gibt hier moralische Tipps?!

Trotz der offensichtlichen Bemühtheit, auch Linken kritische Anmerkungen zu widmen, geriet diese Rede völlig aus dem Lot. Ein Redner, der einigermassen über den Dingen steht, versteigt sich nicht in albernes Klein-Klein wie die Mehrwertsteuersätze auf Weihnachtsbäumen, verzichtet auf liebgewonnene Steckenpferde der eigenen Klientel (Karl Marx als «grosser Sohn des deutschen Volkes»), Vorschläge für gleich zwei bundesweite Feiertage, als ginge es Deutschland zu gut, oder peinliche Osttümelei.

Was Gysi da abgeliefert hat, war schlicht ein schlecht vorgetragener Missbrauch der Aufmerksamkeit des grossen Forums. Dass vom Pult des Deutschen Bundestages aus Israel Tipps für die Politik im Umgang mit dem islamistischen Terror erteilt werden und sich Gysi mit Verweis auf das Schicksal seiner eigenen Familie nicht einmal Plattitüden vom eigenen Palästinenserstaat verkneifen konnte, der den Terror-Organisationen Hamas und Hisbollah vermeintlich die Grundlage entzöge, ist einfach nur beschämend.

Der neue Bundestag ist nun konstituiert. Das ist das Beste, was man über diesen Tag sagen kann.

Über den Rest schweigt man lieber.

Ralf Schuler war mehr als zehn Jahre Leiter der Parlamentsredaktion von Bild und ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS. Er betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch „Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens“ ist im Fontis Verlag, Basel erschienen.