Dieser Text erschien zuerst auf dem Online-Portal Nachdenkseiten.

Worüber, um Himmels willen, habe ich zu schreiben gewagt, um mich trotz jahrelanger guter Zusammenarbeit plötzlich in der Position der schubladenmanuskriptproduzierenden Hobbyautorin wiederzufinden?

Die Antwort ist in diesen Zeiten einfach: In meinem Krimi geht es um Corona, es geht um die Verfehlungen und Schäden der deutschen Pandemiepolitik, es geht um die stete Verengung des zulässigen Meinungskorridors und um die Beweggründe derjenigen, die den Ausschluss aus der Gesellschaft, die stattgefundene und noch immer stattfindende Diffamierung und den auf sie einprasselnden Hass in Kauf genommen haben, um zu ihrer Überzeugung zu stehen.

Es geht um Widerstand und seine Folgen, und natürlich geht es auch um einen Mord, bezeichnenderweise an einem tendenziösen Lokaljournalisten. Nur leider sind die zum Zeitpunkt der Handlung bereits zurückgezogen lebenden Massnahmenkritiker – in meinem Roman im besten Fall als «Querdenker», im schlimmsten Fall als «Nazis» diffamiert – ganz entgegen der Erwartung nicht die Bösen. Das ist der Frevel, den man dem deutschen Buchmarkt gegenwärtig besser nicht zumutet.

Aus Sicht des Verlags ist diese Entscheidung völlig nachvollziehbar, und ich honoriere die bisher hervorragende Zusammenarbeit ebenso wie den wertschätzenden Umgang, der selbst in dieser stattgefundenen Absage nicht an Qualität verloren hat. Auch das klassische Canceln praktiziert der Verlag nicht, im Gegenteil wurde mehrfach betont, dass man mich als Autorin nicht verlieren wolle und auf weitere künftige Zusammenarbeit hoffe, immerhin. Dass das keine Rolle mehr spielt, kann man in Köln freilich nicht erahnen. Wohl aber, dass sich ein bis dahin etablierter Verlag bei Veröffentlichung eines solchen Manuskripts dem Zeitgeist entsprechend mindestens das Prädikat «umstritten» einhandeln würde. Schlimmstenfalls auch «Nazi». Wer also könnte dem Verlag einen Vorwurf machen, weil er dieses Risiko, das nicht zuletzt auch ein wirtschaftliches ist, nicht eingeht?

Ich gestehe: Mich hat beim Schreiben nichts als die Hoffnung angetrieben. Die Hoffnung, dass der gesunde Menschenverstand, moralische Integrität und echte Solidarität siegen werden, dass sich die Gesellschaft auflehnt gegen Spaltung und Ausgrenzung, dass wir im Frühjahr 2024, dem geplanten Zeitpunkt der Veröffentlichung, schon viel weiter sind.

Aber natürlich war ich mir der Risiken bewusst: Von ebendieser möglichen Ablehnung durch den Verlag über meine im Fall einer Veröffentlichung eigene, dann wenigstens selbstgewählte berufliche Hinrichtung bis hin zu hasserfüllten Anfeindungen; nichts ist in diesen Zeiten unmöglich. Auch das konsequente Totschweigen der Neuerscheinung in den regionalen Medien war eine Option, die ich bedacht habe, ebenso wie die Verbannung dieser und vielleicht sogar aller anderen bisherigen Veröffentlichungen aus der Sichtbarkeit des stationären Buchhandels.

Man denke an Klöckners und Wernickes «Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen», das nur in seltenen Fällen so prominent angeboten wurde, wie es den Verkaufszahlen entsprochen hätte, und oft genug erst auf Nachfrage aus dem Hinterzimmer heraus verkauft wurde. Dass das Werk dennoch auf Platz zwei der Spiegel-Bestseller-Liste landete, muss schmerzen. Dass Buchhandlungen (Impf-)Ideologie über Wirtschaftlichkeit stellen, schmerzt aber leider nicht minder.

«Sozialschädlinge» und «Blinddärme» bitte weiterhin ignorieren!

Die mutmassliche Angst vor eventuellen negativen Folgen für den Verlag stand bei der kommunizierten Ablehnung des Manuskripts nicht im Fokus, stattdessen stehe man in Köln nicht zur Gänze hinter dem, was im Buch vermittelt wird. Fast will ich es um ein «hoffentlich» ergänzen. Hinter allem zu stehen, was in Kriminalromanen vermittelt wird, könnte weitreichende, um nicht zu sagen lebensbedrohliche Konsequenzen haben, selbst wenn sich am Schluss der Gärtner als Mörder entpuppt.

Ungleich schmerzhafter ist das zweite Argument: Keiner will mehr etwas über Corona hören.

Im Sommer 2021 wurde ich in einem Interview gefragt, ob denn schon ein Corona-Roman in Arbeit sei. Damals antwortete ich sinngemäss, dass es mir dafür zu früh erscheine, schliesslich befänden wir uns noch mitten in dieser Zerreissprobe. Doch auch jetzt, da die Pandemie offiziell für beendet erklärt wurde, scheint der Zeitpunkt nicht passend zu sein für einen ehrlichen Rückblick auf Missstände, Fehlentscheidungen und die Beweggründe und Schicksale der Menschen, die doch in so vielen Punkten recht behalten haben: im Hinblick auf die psychischen Schäden bei Kindern und Jugendlichen, auf die eingeschränkte Wirksamkeit der Impfstoffe und die Tatsache, dass Medikamente praktisch nie frei von Nebenwirkungen sind, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Will also wirklich keiner mehr etwas über Corona hören? Auf X, vormals Twitter, verklingt der Ruf nach Aufarbeitung nicht. Allerdings gehören die Rufenden nicht der gesellschaftlichen Mehrheit an, die billigend in Kauf nimmt, die Minderheit mit ihrer Verweigerungshaltung dauerhaft zu verlieren. Man möge bedenken: Diese Minderheit ist nicht klein. Würde ich die während und seit Corona Diffamierten und Ausgegrenzten als meine Leser-Zielgruppe definieren, könnte ich meine bisherigen Verkaufserfolge um ein Vielfaches übertreffen.

Die Geschichte lehrt uns, dass Aufarbeitung erst dann erfolgt, wenn die Verantwortlichen nicht mehr unter uns weilen oder zumindest nicht mehr in Amt und Würden sind. Wer klagt sich schon selbst an? Und wer unter den Mitläufern gesteht sich freiwillig ein, vielleicht auf der falschen Seite gestanden zu haben? Täter und Mitläufer können also beruhigt sein: Zum Zeitpunkt der Aufarbeitung wird sich ausser den Geschädigten ohnehin niemand mehr für das Thema interessieren, sodass jegliche gesellschaftsrelevante Bedeutung getrost ausgeschlossen werden kann. Im gleichen Atemzug werden Forderungen ertönen, die Vergangenheit endlich ruhen zu lassen, man könne es nicht mehr hören. Erinnerungskultur made in Germany, man kennt das ja.

Die Mehrheit will also nichts mehr über Corona hören, die Minderheit will Aufarbeitung. Die Minderheit wird die Mehrheit mit ihrem Wunsch nicht erreichen, die Mehrheit wird die Minderheit ohne Aufarbeitung nicht zurückgewinnen. Game over. Dass ich den Sinn meines Romans, der letztlich also doch nur meiner eigenen Meinungsblase den erlittenen Horror erneut vor Augen führen würde, mittlerweile selbst bezweifle, ist ein Nebeneffekt dieses gesellschaftlichen Duells mit zwei Toten.

Hinter dem dritten Argument des Verlags steckt eine absolut wohlwollende Absicht: Ich würde mir mit der Veröffentlichung dieses Manuskripts keinen Gefallen tun, man wolle mich davor bewahren. Im Hinblick auf eine zukünftige schriftstellerische Laufbahn ist diese Warnung selbstverständlich berechtigt, und doch spielt sie keinerlei Rolle. Ein Buch zu schreiben, ist, selbst wenn es sich dabei um sogenannte Trivialliteratur handelt, harte Arbeit. Ein Buch zu schreiben, für dessen Inhalt man nicht brennt, ist nicht nur Arbeit, sondern Tortur, und lohnt, sofern man sich nicht im Bestseller-Segment bewegt, wirtschaftlich die Mühe nicht. Nun ist aber der gesellschaftliche Super-GAU, den ich seit über drei Jahren beobachte und erlebe, das einzig verbliebene Thema, das diese so notwendige Leidenschaft auslöst. Es gibt nur diese eine Wunde, in die sich der Finger für mich zu legen lohnt, denn auf ihr basieren aus meiner Sicht alle anderen gesellschaftlichen Probleme, die uns jetzt und in Zukunft beschäftigen werden. Erst in der Pandemie ist Ausgrenzung und Diffamierung Andersdenkender in solch grossem Ausmass wieder gesellschaftsfähig geworden. Auch das übrigens eine Kernaussage des Romans: Die spätestens während der Pandemie qualvoll verendete Debattenkultur wird sich in der Folge auf sämtliche Themenbereiche mit gesellschaftlicher Brisanz erstrecken. Schalten Sie den Fernseher ein, lesen Sie die Zeitung. Quod erat demonstrandum. Wenn ich dieses Problem nicht literarisch bearbeiten darf, habe ich nichts mehr zu sagen. Mundtot, spät, aber doch noch, umständehalber.

Die Schreckensvision als Prognose

Es ist also an der Zeit, den Traum vom Schreiben, den ich fünfzehn Jahre enthusiastisch verfolgt habe, aufzugeben. Zu meinem eigenen Erstaunen erfüllt mich diese Entscheidung jedoch weder mit Sentimentalität noch mit Traurigkeit. Wenn sich die Zeiten ändern, ändern sich auch die Träume, und ohnehin wird jedes persönliche Problem seit einiger Zeit von der weitaus grösseren Sorge um unsere gesellschaftliche Fehlentwicklung überschattet. Für Rosa Luxemburg war Freiheit immer die Freiheit des Andersdenkenden. Wie frei ist eine Gesellschaft, in der diese Haltung mehr und mehr ins Hintertreffen gerät? Wie frei ist eine Gesellschaft, in der Romane nicht mehr in etablierten Verlagen erscheinen, weil sie die Haltung Andersdenkender erklären statt sie abzuwerten?

Irgendwann wird sich ein grosser Teil der Bürger in der einen oder anderen Thematik ausserhalb des zulässigen Meinungskorridors wiederfinden und somit andersdenkend sein, der deutschen Mentalität entsprechend spätestens dann, wenn er sein eigenes Hab und Gut bedroht sieht. Betrachtet man die Ergebnisse der kürzlich überstandenen Landtagswahlen, so scheint dieser Punkt bereits bei einigen Bürgern erreicht. Es rumort, beileibe nicht nur rechts aussen. Sperren wir den Diskurs also weiterhin in seine durch «Alternativlosigkeit» der Gesellschaft oktroyierten engen Grenzen, verweigern wir weiterhin eine ehrliche Rückschau, Bewertung und Rehabilitierung der qua Mehrheitsmeinung diskreditierten kritischen Stimmen, wer wird den jeweiligen Andersdenkenden dann in Zukunft noch helfend zur Seite stehen? Wer noch nicht geschasst, diffamiert oder ausgewandert ist, wird sich hüten, sei es aus Überzeugung oder Feigheit. Die Gecancelten, die «Umstrittenen» hingegen werden wenig Antrieb verspüren, solidarisch mit denen zu sein, die ihre eigene Ausgrenzung einst gebilligt oder gar bejubelt haben.

Sollte ich die Finger – unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich – doch nicht von der Tastatur lassen können, werde ich diese düsteren Zukunftsvisionen in Romanform packen. Möglicherweise lassen sie sich schon in naher Zukunft als Tatsachenbericht veröffentlichen.