Langsam, ganz langsam erst beginnt die CDU aufzuwachen. Es ist kein schönes Erwachen. So etwa, wie bei der Geschichte mit dem Frosch, den man in einen Topf Wasser auf dem Herdfeuer geworfen hat, und der erst langsam merkt, dass er die Einlage in der Suppe ist …

In den drei ostdeutschen Ländern, in denen demnächst gewählt wird, liegt die CDU entweder hinter der AfD oder braucht in jedem Fall einen Koalitionspartner, der nicht von den unbeliebten Ampelparteien SPD und Grüne kommt (die FDP spielt keine Rolle). Linke und AfD hat die Union per Unvereinbarkeitsbeschluss selbst hinter die Brandmauer gesperrt, so dass die neue Partei von Sahra Wagenknecht (Bündnis Sahra Wagenknecht – BSW) zum entscheidenden Mehrheitsbeschaffer werden könnte.

Alles halb so wild, hiess es bislang aus der Union. Einerseits sei Wagenknecht ganz heiss aufs Regieren und dadurch entsprechend gefügig, andererseits ist die Union ohnehin über weite Teile noch in der leicht überheblichen Selbstwahrnehmung einer Regierungspartei mit Dauerabo gefangen, wonach es vor allem darauf ankommt, die meisten Stimmen zu bekommen; dann finde sich schon jemand zum Regieren.

Eine Rechnung, die ohne Wagenknecht und ihren Ehemann Oskar Lafontaine gemacht wurde. Unlängst erst erklärte Wagenknecht, nur in eine Koalition eintreten zu wollen, die sich für die Reduzierung der Waffenhilfe für die Ukraine einsetze. Jetzt liess sie verlauten, auch die geplante Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland sei mit ihr nicht zu machen. Machtpolitik vom Feinsten.

Wie hilflos die Union der eigentlich ganz naheliegenden Chuzpe Wagenknechts gegenübersteht, erkennt man daran, dass aus Sachsen und Thüringen als Reaktion nicht viel mehr kommt als die schräge Vermutung, das BSW bereite sich offenbar auf eine Regierung mit der AfD vor. Denn mit der Union seien solche Forderungen ja nicht zu machen, wie Wahlkämpfer aus beiden Ländern gegenüber der Bild-Zeitung zu Protokoll geben.

Wagenknecht weiss, dass sie den kometenhaften Aufstieg ihrer Partei der Erwartung vieler Wähler verdankt, einen «Politikwechsel» herbeizuführen. 76 Prozent nennen das in einer internen Umfrage der CSU als ihren grössten Wunsch. Und sie weiss, dass das BSW verschwindet, wenn man nicht liefert. Zugegeben: Beide Forderungen haben nichts mit Landespolitik zu tun und werden nicht in Erfurt oder Dresden entschieden.

Das Duo Wagenknecht/Lafontaine weiss das und lacht sich schon jetzt ins Fäustchen. Erst nach und nach dürfte den Unionsstrategen aufgehen, dass sie bei Strafe des weiteren Bedeutungsverlusts entweder Wagenknecht entgegenkommen und sich gleichzeitig intern zerfleischen oder zwischen den diversen Brandmauern von der politischen Bühne verschwinden werden.

Und das in einer Zeit, da die täglichen Messerattacken in Deutschland der Union eigentlich Vorlagen ohne Ende bieten, in der die Versuche zur Einschränkung der Meinungsfreiheit und das voranschreitende Ruinieren der deutschen Wirtschaft durch die Ampelregierung die Unionsparteien eigentlich spielend über die 40-Prozent-Marke tragen sollte.

Eigentlich. Es wird langsam warm für den Frosch im Suppentopf. Ungemütlich warm …

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.