In Muotathal verlassen sich die Wetterschmöcker in ihren Vorhersagen auf die Wühlstärke der Mäuse, die Beinlänge von Waldameisen oder auf die Dichte des Mooswuchses. In Zürich hält man nichts von solchem Firlefanz. Das Einzige, was für die Zwingli-Meteorologen zählt, ist die Brenndauer des Bööggs am Sechseläuten. Explodiert sein Kopf schnell, wird der Sommer heiss und lang. Dauert es lange, fällt die warme Jahreszeit ins Wasser. Doch die Zuverlässigkeit des Orakels besitzt Steigerungspotenzial. Bestes (oder schlechtestes) Beispiel war vergangenes Jahr. Da dauerte es die Ewigkeit von 57 Minuten, bis der Böögg seinen Kopf verlor. Was auf einen hundsmiserablen Sommer hindeutete. Doch dann wurde es sonnig, heiss und trocken.

2024 ist alles anders – und der Böögg mit Appenzeller Pfeife, Fliege und Hosenträger im Sinne des Gastkantons Ausserrhoden hergerichtet. Der Appenzeller Landammann Yves Noël Balmer ist bestens vorbereitet – und hält die Fackel bereits in der Hand. Doch um 17.50 Uhr tritt Felix Boller, der Präsident des Zentralkomitees der Zürcher Zünfte, vor die Medien und spricht die historisch einmaligen Worte: «Wegen der starken Windböen und der Gefahr von Funkenschlag können wir den Scheiterhaufen aus Sicherheitsgründen nicht anzünden.»

Der Entscheid werde von allen Behörden mitgetragen. Man habe auch geprüft, ob der Böögg gewässert oder weiter unten angezündet werden könne. Beides sei leider nicht möglich gewesen, der Funkenflug sei zu gefährlich. «Das ist noch nie passiert», sagt Boller.

Publikum und Umzugsteilnehmer sind perplex. Und auch die Fachleute können diese Premiere nicht einschätzen. Mit ein paar Salutschüssen will man den Winter quasi improvisiert vertreiben. Ob das gelingt? Wir werden es spätestens am 1. Juni, dem meteorologischen Sommeranfang, sehen. Etwas ist aber schon jetzt sicher: Das Zürcher Sechseläuten 2024 wird ein Fall für die Basler Fasnacht 2025. Garantiert.