Heute beginne ich mit einer Information, die für Sie völlig unerwartet kommt. Die Information lautet: Der Pegelstand des Gardasees liegt derzeit bei 105 Zentimetern.

Was diese Information noch unerwarteter macht: Sie bekommen diese Information von mir weltexklusiv. Sie werden sie in keiner anderen Zeitung und bei keinem Radio- oder TV-Sender finden.

Diese Weltexklusivität hat einen speziellen Grund, wie wir gleich sehen werden.

Zuerst aber zum Gardasee. Vor einem Monat machte ich mich an dieser Stelle über die Journalisten lustig, die in panischem Tonfall beschworen, dass der Gardasee am Austrocknen sei. «Dürre-Alarm am Gardasee», titelte der Blick. «Italien vertrocknet», wusste der Tages-Anzeiger mit Blick auf den Gardasee.

Das war natürlich völlig übertrieben, aber was tut man nicht alles, um das attraktive Sujet der Klimakatastrophe am Köcheln zu halten. Am dreistesten trieb es die Redaktion des Sterns und behauptete, der Gardasee sei «nur noch zu 38 Prozent gefüllt». In Wirklichkeit waren es nicht 38, sondern 99,5 Prozent.

Inzwischen ist, mit Pegelstand 105 Zentimeter, wieder ein Füllstand von 100 Prozent erreicht. Aber davon erfahren Sie in den Medien kein Wort, ausser von mir, und dies darum weltexklusiv.

Wir sind damit bei einem speziellen Verhaltensmuster im Mediengeschäft. Unablässig warnen unsere Journalisten vor den Gefahren dieser Welt. Wenn diese Warnungen sich als unbegründet herausstellen, wie zuletzt am Gardasee, dann aber schweigen Redaktionen wie ein Grab. Entwarnungen sind im journalistischen Metier nicht vorgesehen, weil sie die permanente Alarmstimmung gefährden, die das Rückgrat der News-Industrie ist.

Exponentiell zugenommen haben neuerdings vor allem die meteorologischen Warnungen, weil sich damit so farbig ausmalen lässt, dass der Klimawandel von Dürre bis Nässe für sämtliche Wetterphänomene voll verantwortlich ist. Hier eine kleine Auswahl, was unsere Redaktionen so alles thematisiert haben:

«Hitze-Warnung» («Tagesschau»)

«Warnung vor extremer Hitze» (St. Galler Tagblatt)

«Warnung vor Hitzewelle» (NZZ)

Was tut man nicht alles, um das attraktive Sujet der Klimakatastrophe am Köcheln zu halten.

«Sommerhitze-Warnung (Depeschenagentur)

«Warnung vor Trockenheit» (Blick)

«Temperaturwarnung» (NZZ am Sonntag)

«Warnung vor Dürre» (Watson)

«Hochwasser-Warnung» («Regionaljournal»)

«Warnung vor Überschwemmungen» (Basler Zeitung)

«Flutwarnung» (20 Minuten)

«Gewitter-Warnung» (Luzerner Zeitung)

«Unwetter-Warnung» (Berner Zeitung)

Wenn Hitze, Dürre, Trockenheit, Hochwasser und Überschwemmung nun tatsächlich eintreffen, dann steigt auf den Redaktionen die Stimmung noch schneller als die Temperaturen und die Fluten. Man setzt dann in den negativen Schlagzeilen ans Publikum nochmals einen drauf. Wenn Hitze, Dürre, Trockenheit, Hochwasser und Überschwemmung hingegen ausbleiben, dann herrscht Trübsal auf den Redaktionen. Dann verschweigt man dem Publikum die missliche, weil positive Entwicklung.

Der durchschnittliche Medienkonsument wird darum nie erfahren, dass der Pegelstand im Gardasee nun auf Normalniveau liegt, dass die Waldbrände in Australien gelöscht sind, dass die Gletscher in Grönland wieder wachsen und dass es in Spanien nach der Frühlingshitze soeben eine Kältewelle gab. Solch entwarnende Meldungen von der bedrohlichen Klimafront würden die Leser und Zuschauer nur unnötig verwirren.

Ich erinnere mich gut an einen gewaltigen Hype in den Medien, der vor einigen Jahren hohe Wellen schlug. Der Trend hiess «konstruktiver Journalismus». Kritische Redaktionen von Spiegel bis Tages-Anzeiger kündeten ihren Lesern an, nun mindestens einmal wöchentlich positive News zu liefern. Sie führten dazu neue Rubriken ein, die sie «Die Lösung» oder «Die gute Nachricht» nannten.

Nach wenigen Monaten schon waren die Rubriken des Guten wieder aus den Spalten verschwunden. Die Redaktionen waren völlig überfordert, auch nur einmal in der Woche einen Artikel zu produzieren, der die Welt in hellem statt in dunklem Licht zeigte.

Seitdem gibt es keine Auffangbecken für positive Pegelstände mehr.