Die Worte «Russland» respektive «Sowjetunion» und «Mode» passen nicht in den gleichen Satz. Der russische Modeschöpfer Slawa, offiziell Wjatscheslaw, Saizew wäre einverstanden gewesen. Dennoch entschied sich der Mann aus Iwanowo, einer Stadt 250 Kilometer nordöstlich von Moskau, Mode zu machen. Russische Mode für Russinnen in Russland, um genau zu sein.

In den 1960er Jahren, als er angewandte Kunst an einer regionalen Hochschule studierte, hatten die Begriffe «schick» und «glanzvoll» negative Konnotationen; «Mode» galt in der UdSSR als bourgeois, war also abzulehnen. Kleidung sollte einzig praktischen Anforderungen genügen und für einheitliches Aussehen der Trägerinnen und Träger sorgen. Etiketten mit dem Namen eines Designers waren nicht bloss unnötig, sondern verboten.

Slawa liess sich nicht beirren. Und schaffte es, einen Platz am Moskauer Textilinstitut zu belegen. Da sein Vater nach einer Säuberungswelle des damaligen Generalsekretärs Stalin weggesperrt worden war, darf vom herausragenden Talent des jungen Mannes ausgegangen werden. Bereits seine erste Kollektion für eine Frauenkleiderfabrik – traditionelle Blumenmotive – erregte Aufsehen: Funktionäre fanden sie zu frivol und sowjetischen Idealen entgegengesetzt. Schlecht für Saizews Karriere, aber eine Auszeichnung seiner Modekompetenz.

Mitte der 1960er Jahre bewerkstelligte er es irgendwie, Pierre Cardin und Guy Laroche zu treffen. Und Journalistinnen, die die französischen Modemänner begleiteten, seine Entwürfe vorzuführen. Worauf Paris Match Slawa zum «Roten Dior» ernannte, was als Kompliment zu verstehen war. Saizew sah sich laut einem Artikel in der amerikanischen Fachzeitung Women’s Wear Daily (WWD) allerdings weniger als Modeerneuerer oder Anbieter von, Pardon, revolutionären Looks. Er wollte Frauen möglichst schön und manchmal auffällig aussehen lassen. Seine «dramatischen, farbenfrohen Kleider, die das folkloristische Erbe und die traditionellen Stoffe des Landes» (WWD) aufnahmen, setzten ihn auf die zuvor leere Mode-Landkarte Russlands. Raissa Gorbatschowa, Frau von Michail Gorbatschow, und weitere Spitzenpolitiker-Gattinnen trugen seine Entwürfe. Er entwarf auch Kostüme für grosse Balletttänzerinnen sowie Anzüge für Olympioniken der Sowjetunion oder Uniformen der Polizei von Moskau.

Von Ausnahmen abgesehen, beschränkte er sich auf seinen Heimmarkt. Anfang der 1990er Jahre zeigte er eine Kollektion in Paris. Und erkannte: «Das ist nicht der Ort für mich.» Wjatscheslaw «Slawa» Saizew starb am 30. April in Moskau; er war der erste Modemacher, dessen Name auf dem Etikett eines sowjetischen Kleids stand, in Grossbuchstaben.