Die Erinnerung spielt einem zwar die seltsamsten Streiche, trotzdem bin ich überzeugt davon, in einem Kinderbuch der siebziger Jahre erstmals bewusst einen Range Rover Defender wahrgenommen zu haben. Damals war der würfelförmige Geländewagen aus Grossbritannien noch ein Arbeitsinstrument für Förster oder Bauleute, für mich blieb er allerdings immer ein Sehnsuchtsauto, mit dem man sich an Orte träumen kann, die auf vier Rädern ansonsten kaum zugänglich wären.

Als ich erst Jahrzehnte später erstmals überhaupt am Steuer eines Defender 110 sitzen konnte, erwies sich dies als eher ernüchternde Erfahrung. Der robuste Offroader mit Untersetzungsgetriebe und vielen anderen konstruktionstechnischen Massnahmen, die es für den Einsatz abseits befestigter Strassen braucht, erwies sich tatsächlich als Arbeitsgerät mit minimalem Komfort für alltägliche Fahrten.

 

Prestigeobjekt

Das hat sich – aus meiner Sicht zum Glück – mit der Einführung des neuen Defender L663 im Jahr 2019 geändert. Ich halte den neuen Defender für einen genialen Wurf. Nur selten gelingt es Designern und Ingenieuren so gut, und erst noch mit etwas Humor, ruhmreiche Vergangenheit und Hoffnung auf eine bessere Zukunft so fein zusammenzuschweissen. Seither beinhaltet dieser rundum erneuerte Klassiker der Automobilgeschichte zwar immer noch das Versprechen, jedes Ziel jederzeit und überall auf vier Rädern erreichen zu können. Gleichzeitig kommt man jetzt auf angenehme Weise, mit allen Vorteilen des modernen Fahrzeugkomforts dahin. Allerdings bin ich auch, so viel Selbsteinsicht muss sein, für Abenteuer irgendwo in der ungeteerten Wildnis ohnehin völlig ungeeignet.

Kürzlich konnte ich den Range Rover Defender mit dem V8-Kompressorbenzinmotor fahren. Das wuchtige Aggregat mit fünf Litern Hubraum leistet 525 PS, aber vielmehr lässt es einen nach jeder Fahrt mit der Überzeugung zurück, dass man auf der schönen Seite der Macht steht. Ein V8 ist immer noch ein Prestigeobjekt, und gerade im Defender kommt damit eine fröhliche «Alles-ist-Möglich-Stimmung» auf.

Jedes Mal, wenn ich mit dem abenteuerlustigen britischen Offroader unterwegs war, kam ich in Versuchung, mal kurz die Landstrasse zu verlassen und auf dem umgegrabenen Feld daneben das technisch hochstehende Allradsystem zu testen. Natürlich habe ich das nicht gemacht, allein schon aus Respekt vor der Arbeit der Landwirte nicht. Aber ein Range Rover Defender lässt einen im wohligen Glauben, dass man jederzeit könnte, wenn man wollte.

 

Land Rover Defender 110 5.0

Motor/Antrieb: V8-Kompressor-Benzinmotor, 8-Gang-Automatik, Allradantrieb; Hubraum: 4999 ccm; Systemleistung: 525 PS/386 kW; max. Drehmoment: 625 Nm/2500 U/min; Verbrauch (WLTP): 12,8 l/100 km; Beschleunigung (0–100 km/h): 5,2 sec; Höchstgeschwindigkeit: 240 km/h; Preis: Fr. 160 000; Testwagen: 161 840.–