Um diesen Turm zu sehen, werde man nach Paris reisen müssen, stöhnte der Basler Kulturphilosoph Jacob Burckhardt: «Meine spezielle Abscheu bei dieser Entreprise ist der Riesenturm, welcher offenbar als Reklame für die gedankenlosesten Tagediebe von ganz Europa, Amerika etc. zu wirken bestimmt ist. Mit allem anderen wird man nicht so renommieren können gegenüber denjenigen, welche sagen: connu ça! Dazu soll das Ding noch eine scheussliche façon bekommen.»

Burckhardt irrte: Kein ausländisches Staatsoberhaupt reiste 1889 zum hundertsten Geburtstag der Französischen Revolution nach Paris. Frankreich aber hatte sich von der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg einigermassen erholt. Sciences Po wurde zur intellektuellen Aufrüstung der Elite gegründet. Pierre de Coubertin erfand die Olympischen Spiele der Neuzeit, um die Jugend körperlich zu ertüchtigen. Und Gustave Eiffel baute seinen Turm: ein Monument für die Republik. Es war bereits die vierte seit der Revolution, und sie hatte nun schon mehr als ein Dutzend Jahre Bestand.

 

Türme wurden Mode

Von einer «Kundgebung» auf dem Marsfeld war in der Ausschreibung die Rede. Der Turm gegenüber der Ecole militaire sollte zur «Apotheose des Eisens und der Maschine» werden: «dieser beiden Symbole des Sieges unserer Vernunft über die Mächte der Finsternis». Eiffel bekam den Zuschlag gegen 700 Konkurrenten.

Nach dem Auslaufen der Konzession wäre es beinahe zum Abbruch des Originals gekommen.

Der konservative Kulturpessimist Jacob Burckhardt war nicht allein. Die bekanntesten Dichter der Epoche, Zola wie Maupassant, Denker, Musiker, Maler protestierten mit einer «Petition der Künstler» gegen den Bau des «hohlen Kerzenständers», wie ihn der Kunstkritiker Joris-Karl Huysmans nannte. Dem Poeten Paul Verlaine, der ihn partout nicht sehen wollte, nötigte er lange Umwege ab. Guy de Maupassant resignierte und verliess Paris.

Der Erfolg kam umgehend und übertraf alle Erwartungen. Schon in der ersten Sommersaison wurde der Eiffelturm von 1.968.287 zahlenden Besuchern erklommen. Innerhalb eines Jahres konnten praktisch die gesamten Baukosten gedeckt werden. Gustave Eiffel hatte sich auf dem Marsfeld eine Goldmine erschlossen. Weltweit fand das neue Wahrzeichen von Paris Nachahmer. Türme wurden Mode. Schon 1890 existierte in Sankt Petersburg eine sechzig Meter hohe Kopie – aus Eis.

 

Erstes drahtloses Telefon

Nach dem Auslaufen der Zwanzig-Jahre-Konzession wäre es beinahe zum Abbruch des Originals gekommen. Sein Überleben verdankte der Turm einem Geistesblitz des genialen Unternehmers (die Erfinder waren zwei von ihm angestellte Ingenieure): Er erstellte im Himmel von Paris eine Funkantenne. Ab 1910 kam das internationale Zeitzeichen von der Spitze des Eiffelturms, von der aus ein paar Jahre später auch die erste drahtlose Telefonverbindung über den Atlantik hergestellt wurde.

Gustave Eiffel war überzeugt, dass sein eiserner Turm schier ewig würde bestehen können. Alle sieben Jahre muss er neu gestrichen werden. Mit dem Unterhalt aber wurde geschlampt: Am Gerüst nagt der Zahn der Zeit, das Monument der Moderne rostet. Im vergangenen Februar streikten die Angestellten wegen des Sicherheitsrisikos. 6,3 Millionen Besucher wurden im vergangenen Jahr verbucht. Diese Woche werden die Eintrittspreise für Erwachsene von 29 auf 35 Euro erhöht.

Seit Anfang Juni strahlen die olympischen Ringe vom Eiffelturm über der Hauptstadt der Mode und des Luxus bis nach Europa, Amerika et cetera. Auf dem Marsfeld werden die Beachvolleyball-Wettbewerbe ausgetragen. Auf den Medaillen aller Disziplinen ist der Eiffelturm zu sehen, gestaltet hat sie der Juwelier Chaumet (LVMH). In Gold, Silber und Bronze enthalten sie ein Stück des Eisens, das einst beim Bau abfiel.