Es gibt diesen uralten Golfwitz. Zwei ältere Herren spielen auf dem Platz, als daneben ein langer Trauerzug der -Strasse entlangzieht. Der eine Golfer nimmt seine Mütze ab.

«Ich wusste gar nicht, dass du so pietätvoll bist», sagt der andere zu ihm. «Weisst du», sagt der, «das bin ich ihr schuldig. Ich war mit meiner Frau fast fünfzig Jahre verheiratet.»

Es gibt unzählige Golfwitze aus diesem Genre. Die Pointe ist stets dieselbe. Der Golfer vernachlässigt seine privaten und beruflichen Pflichten, weil er lieber auf dem Golfplatz ist.

Anderes Beispiel: Zwei Golfer spielen bei Regen und Wind. Sagt der eine: «Stell dir vor, meine Frau hat mich doch tatsächlich gefragt, ob ich ihr beim Aufräumen im Garten helfen könnte – bei diesem Sauwetter!»

Das Problem ist nur, dass die Witze vielfach die Wirklichkeit abbilden. Golfer und Golfe-rinnen haben oft eine klare Prioritätenliste: Zuoberst steht Golf, dann folgt der Rest. -Golfer schwänzen darum die Geburtstagsfeier der Grossmutter und brechen in der Firma eine wichtige Sitzung vorzeitig ab, um rechtzeitig auf dem Platz zu sein. 

Ich rede aus Erfahrung. Ich habe immer wieder erlebt, wie Geschäftspartner von mir, gestresste Manager mit einer prallvollen Agenda, in diesem Fall reagierten. Wenn ich sie in einem E-Mail fragte, ob sie mal Zeit für eine Runde hätten, war die -Antwort oft keine Überraschung. «An diesem Mittwochnachmittag geht es gut», schrieben sie zurück, «ich muss nur ein paar Termine verschieben.» 

Dieselbe Erfahrung habe ich auch mit meinem -Anwalt gemacht. Er erzählte mir dann auf der Golfrunde, wie er unter der Arbeitslast beinahe zusammenbreche. Auch meine Zahnärztin, bei der man Termine erst nach -langer Wartefrist bekam, hatte unter der Woche plötzlich Zeit für achtzehn Loch.

Woher kommt diese Obsession vieler Golfspieler mit diesem Sport? In der allgemeinen Golfphilosophie steht eine Erklärung zuvorderst. Golf ist die einzige Beschäftigung auf diesem Planeten, die man nie -richtig kann. Der Sport ist so komplex, dass selbst die besten Profis immer wieder versagen, die Amateure erst recht. 

Das ist ungewohnt. Jeder Manager weiss irgendwann, wie man eine Firma gut umstrukturiert. Jeder Anwalt weiss irgendwann, wie man eine Scheidungsklage gut formuliert. Jede Zahnärztin weiss irgendwann, wie man einen Weisheitszahn gut entfernt.

Nur eines wissen sie nie: wie man gut Golf spielt. Darum nutzen sie jede Gelegenheit, um auf den Platz zu kommen. Vielleicht gelingt es eines Tages ja doch. Vielleicht.