Der Konsum in der Schweiz dürfe die «planetaren Grenzen» nicht mehr überschreiten. Das fordert die Umweltverantwortungsinitiative der Jungen Grünen, die derzeit im Parlament behandelt wird. Laut Initiative dürfen wirtschaftliche Tätigkeiten nur noch so viele Ressourcen verbrauchen und Schadstoffe freisetzen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben.
Das Konzept der «planetaren Grenzen» beruht auf der Vorstellung, dass es bezüglich der Umweltbelastung und des Abbaus von Rohstoffen fixe Limiten gibt, deren Überschreiten zwangsläufig zum ökologischen Kollaps führen muss. Andere Ausprägungen dieses Denkens sind der «ökologische Fussabdruck» und der «Earth Overshoot Day», die besagen, in welchem Verhältnis die menschlichen Aktivitäten das Ressourcenangebot und die Regenerationsfähigkeit der Erde angeblich überschreiten.
Die Vorstellung, dass wir «nur eine Erde» zur Verfügung hätten, die es zu schonen gelte, geht auf das Buch «Die Grenzen des Wachstums» des Club of Rome von 1972 zurück. Damals wurde der Ruf laut, man müsse das Wirtschaftswachstum begrenzen – denn endloses Wachstum sei in einer endlichen Welt nicht möglich. Solche Forderungen beruhen auf einer Fundamentalopposition gegen das marktwirtschaftliche System. Entsprechend wollen auch die Jungen Grünen laut ihrer Website «die kapitalistische Phase überwinden».
Das Konzept der «planetaren Grenzen» hinkt allerdings, denn es ist blind gegenüber der Wirkung technologischer Innovation. Diese führt etwa dazu, dass sich Rohstoffe mit immer raffinierteren Möglichkeiten abbauen lassen. Beispielsweise ermöglicht die Technik des horizontalen Bohrens, dass man Schiefergas, das vorher fast unerreichbar war, heute auf effiziente Art gewinnen kann. Das führte vor fünfzehn Jahren in den USA zu einem Erdgas-Boom, dank dem das Land nach langer Zeit wieder zu einem Nettoexporteur von Energie wurde.
Auch ökonomische Signale bestimmen das Rohstoffangebot: Steigt beispielsweise der Preis für ein bestimmtes Metall, weil dieses wegen hoher Nachfrage knapp geworden ist, lohnt sich plötzlich der Abbau von Vorkommen, die schwieriger zugänglich sind. Die veränderte Rentabilität führt somit zu einem Wachstum der Grenzen.
Wie stark sich diese Grenzen in letzter Zeit verschoben haben, zeigen der Wirtschaftshistoriker Gale Pooley und der Publizist Marian Tupy (beide USA) im Buch «Superabundance» eindrücklich. Sie stellen auf den Zeitpreis ab, der besagt, wie lange jemand arbeiten muss, um eine Einheit einer Ressource kaufen zu können. Gemäss ökonomischen Gesetzen ist der Zeitpreis umso tiefer, je reichlicher eine bestimmte Ressource vorhanden ist.
Enorme Ressourcenfülle
Pooley und Tupy haben einen Warenkorb betrachtet, in dem die fünfzig wichtigsten Rohstoffe, Agrarprodukte und Energieträger enthalten sind – von Kupfer über Nickel, Weizen und Geflügel bis hin zu Kohle und Uran. Sie errechneten, dass der Zeitpreis für diese fünfzig Güter zwischen 1980 und 2018 im Schnitt um sagenhafte 72 Prozent gesunken ist. Anders gesagt: Die Ressourcenfülle pro Person stieg in dieser Zeit auf das Dreieinhalbfache. Berücksichtigt man zudem, dass die Weltbevölkerung gleichzeitig um 71 Prozent grösser wurde, ist das Angebot dieser fünfzig Ressourcen in absoluten Zahlen sogar auf das Sechsfache gestiegen.
In weniger als vierzig Jahren haben sich die «planetaren Grenzen» dank technologischem Fortschritt und wirtschaftlichen Signalen also um Welten verschoben. Und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht, denn der menschlichen Erfindungsgabe sind erst recht keine Grenzen gesetzt.
Alex Reichmuth ist Redaktor beim Nebelspalter.
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