Der deutsche Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski hat ein Buch zum Klimawandel geschrieben, mit dem er sich zwischen zwei Fronten begibt. Auf der einen Seite kĂ€mpfen die aktivistischen Politiker, Wissenschaftler und Interessengruppen, auf der anderen Seite die Gruppen, die dagegenschiessen. Bojanowski geht das Thema als nĂŒchterner Beobachter aus der Sicht von Otto Normalverbraucher an, unter dem Titel: «Was Sie schon immer ĂŒbers Klima wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten.» Bojanowski ist Chefreporter Wissenschaft der Zeitung Die Welt, vorher war er beim Spiegel, fast zehn Jahre im Ressort Wissenschaft. Wir nehmen ihn beim Wort und stellen ihm Fragen, die wir uns vorher nicht zu stellen trauten.

Weltwoche: Herr Bojanowski, was ist die unstellbarste erste Frage zum Klima?

Axel Bojanowski: Die EmotionalitÀt ist enorm, etwa bei der Frage: Gibt es den Klimawandel eigentlich? Hat der Mensch Schuld? Das sind ja berechtigte Fragen, aber die traut sich kaum jemand zu stellen, auch Journalisten nicht. Dabei gibt es sehr gute Antworten der Wissenschaft dazu.

Weltwoche: Die kommen nicht in die Debatte?

Bojanowski: Diese grundlegenden Fragen werden kaum wirklich prÀzise diskutiert, sondern es wird immer sehr dogmatisch debattiert. Da gibt es die Bösen, die solche Fragen stellen, und die Guten, die schon alles wissen.

Weltwoche: Gibt es menschengemachten Klimawandel wirklich?

Bojanowski: DafĂŒr gibt es keinen endgĂŒltigen Beweis, man kann ihn nicht fĂŒhren. Es ist vielmehr ein Indizienprozess. Und in diesem Prozess hat die Wissenschaft sehr gut belegt, dass der Mensch wesentlich fĂŒr die globale ErwĂ€rmung der letzten 150 Jahre verantwortlich ist.

Weltwoche: Das tönt so, als ob das sicher sei.

Bojanowski: Man kann da einiges in Frage stellen, aber die plausibelste Theorie ist, dass der Mensch wesentlich zur globalen ErwĂ€rmung beigetragen hat, dass diese weitergehen wird und auch Risiken birgt. Die offenen Fragen abzuwĂŒrgen, wĂ€re schlecht, weil diese zur Wissenschaft gehören und die Wissenschaft selber die beste Methode ist, um herauszufinden, wie die Welt funktioniert.

Weltwoche: Gibt es einen Klimanotstand?

Bojanowski: Sicher nicht. Von Begriffen wie «Klimanotstand», «Klimakrise» und so weiter steht nichts in den Klimaberichten. Das sind alles gefÀhrliche Werturteile. Dahinter stecken oft bestimmte Lobbygruppen, die das Thema politisch nutzen wollen.

Weltwoche: Das Klimathema wird mit Hintergedanken gebraucht?

Bojanowski: Ja, mit einem Notstand kann man den Eindruck erwecken, es sei gerechtfertigt, demokratische Prozesse auszuhebeln. Man kann mit dem Begriff «Klimakrise» suggerieren, das Thema ĂŒberstrahle alles andere, habe Vorrang. Das macht die Diskussion um solche Begriffe sehr gefĂ€hrlich. Und das Wort «Klimakrise» ist wissenschaftlich irrefĂŒhrend, weil wir es nicht mit einem zeitlich eng beschrĂ€nkten Problem, also einer «Krise», zu tun haben, sondern mit einem generationenĂŒbergreifenden Problem, weil die ErwĂ€rmung ja weitergeht.

Weltwoche: Gibt es ein sogenanntes CO2-Budget? Also eine maximale Menge von Treibhausgasemissionen, die der Mensch noch ausstossen kann?

Bojanowski: Es gibt Berechnungen, wie viel CO2 die Menschheit emittieren darf, um bestimmte Temperaturen nicht zu ĂŒberschreiten. Das ist aber mit einem grossen Unsicherheitsbereich verbunden, weil die Reaktionen des Klimas auf CO2 nicht gut bekannt sind. Hinzu kommt, dass man solche Budgets auch sehr unterschiedlich berechnen kann.

Weltwoche: Zum Beispiel?

Bojanowski: Soll sich ein Budget fĂŒr Deutschland beispielsweise nach der Einwohnerzahl richten oder nach der wirtschaftlichen ProduktivitĂ€t oder anderen Indikatoren?

Weltwoche: Sehen Sie ein Land, das vorbildlich mit einem CO2-Budget umgeht?

Bojanowski: Vergleiche sind schwierig. Deutsche Politiker nennen gerne kleine LĂ€nder in Afrika als Vorbilder, die wenig Industrie haben, oder Island, das ĂŒber viel ErdwĂ€rme verfĂŒgt. AussagekrĂ€ftiger sind die Vergleiche grosser IndustrielĂ€nder, und da sieht man, dass LĂ€ndern mit Kernkraft oder Wasserkraft eine relativ klimaschonende Energieversorgung gelingt, dies bei hoher Industrieleistung.

«Die AbwĂ€gung von Kosten und Nutzen ist das Entscheidende fĂŒr eine erfolgreiche Klimapolitik.»

Weltwoche: Beides ist in Deutschland aber tabu.

Bojanowski: Ja, da bleibt wenig Potenzial fĂŒr klimaschonende Energiepolitik. Gerade Lobbyisten, die das Klimathema anheizen, sind hĂ€ufig jene, die sich praktikablen und auch ökonomischen Lösungen in den Weg stellen. Sobald sie jemanden sehen, der mit pragmatischen LösungsvorschlĂ€gen die Macht der Fundamentalisten bedroht, versuchen sie diese ins Lager der Klimaleugner abzudrĂ€ngen.

Weltwoche: Wenn LĂ€nder wie Deutschland oder auch die Schweiz sich das Ziel von netto null Emissionen bis 2050 oder so setzen – sind das vernĂŒnftige Vorbilder fĂŒr die Welt?

Bojanowski: Das ist auch so eine Tabufrage. Denn es ist eine banale Tatsache: Wenn Deutschland von heute auf morgen kein CO2 mehr ausstossen wĂŒrde, wenn das Land verschwĂ€nde, hĂ€tte das keinen Einfluss auf das Klima, so klein ist die Menge global gesehen. Erst recht im Fall der Schweiz.

Weltwoche: Es wird immer behauptet, wichtig sei die Vorbildfunktion. Man könne damit zeigen, wie Dekarbonisierung gehe, und andere wĂŒrden folgen.

Bojanowski: Das Gegenteil ist der Fall. Wenn es nicht gelingt, Wohlstand und Wirtschaftskraft zu erhalten bei gleichzeitigem Klimaschutz, wird niemand folgen. Den wirtschaftlichen Absturz findet niemand attraktiv. Deswegen sind diese Netto-null-Debatten oft sehr ideologisch und wenig zielfĂŒhrend.

Weltwoche: Geht die Erde unter, wenn «netto null 2050» nicht gelingt?

Bojanowski: Diese Schwellen gibt es nicht. Dieses Setzen von Fristen und die Warnungen vor der Deadline haben mittlerweile eine fĂŒnfzigjĂ€hrige Geschichte. Schon mehrmals sollte die Welt untergehen in den letzten fĂŒnfzig Jahren. Die Fristen sind alle verstrichen, ohne dass Entsprechendes passiert wĂ€re. Kurzfristige Aufmerksamkeit war damit allerdings erreichbar.

Weltwoche: Aber ist die 1,5-Grad-ErwĂ€rmung, die immer als Toleranzgrenze propagiert wird, ein Kipppunkt fĂŒr das Klima?

Bojanowski: Diese Marke ist völlig haltlos. Erstaunlich ist, dass auch namhafte Wissenschaftler, die bestimmten Lobbygruppen angehören, diese Behauptung immer wieder verbreiten, obwohl der Uno-Klimareport 1,5 Grad nicht als Kipppunkt oder dergleichen ausweist. Solche Thesen sind ĂŒberhaupt nicht wissenschaftlich belegt, seriöse Klimaforscher wĂŒrden sich der Behauptung nicht anschliessen.

Weltwoche: Wie hat man diese 1,5 Grad festgelegt?

Bojanowski: Das ist eine sehr spannende Geschichte. Keiner weiss, wie diese 1,5 Grad in den Uno-Pariser-Klimavertrag 2015 kamen. Vorher war immer die Rede von zwei Grad als Obergrenze. Aber plötzlich dann, ein oder zwei Tage vor Abschluss, standen in Paris diese 1,5 Grad im Raum.

Weltwoche: Irgendwie von irgendwoher?

Bojanowski: Es ist tatsĂ€chlich so, dass eigentlich keiner genau weiss, wie es kam. Klar war, dass die Inselstaaten schon immer tiefere Werte wollten, aber jeweils gescheitert sind, weil die 1,5-Grad-Schwelle vielen Industrienationen katastrophal erschien: kaum machbar und wirtschaftlich extrem teuer. Trotzdem war das Ziel plötzlich im Pariser Abkommen, weil die Chinesen nun auch UnterstĂŒtzung dafĂŒr boten. FĂŒr China war es immer entscheidend, gegenĂŒber dem Westen einen Vorteil zu haben. Und als die EuropĂ€er, die Inselstaaten und die USA schĂ€rfere Verpflichtungen akzeptierten bei EinfĂŒhrung der 1,5-Grad-Marke, begrĂŒssten das die Chinesen auch, weil fĂŒr sie ja tolerantere Regeln gelten.

Weltwoche: Ab welcher Temperatur brennt die Erde?

Bojanowski: Das ist eine Frage aus diesem Waldbrand-Fetischismus. Man tut so, als ob sich irgendwann irgendwas selbst entzĂŒnden wĂŒrde, wenn die Erde wĂ€rmer wird. Auch Journalisten dienen WaldbrĂ€nde gerne als Bebilderung fĂŒr die ErderwĂ€rmung.

Weltwoche: Wird das Wetter allgemein extremer?

Bojanowski: Manche Wetterereignisse werden extremer. Etwa Hitze, das ist schon deutlich. Das steht auch im Bericht des Weltklimarats (IPCC), und zwar als einziges PhÀnomen, das dort wirklich mit dem PrÀdikat «sehr sicher» gekennzeichnet ist. Und weil wÀrmere Luft mehr Feuchtigkeit halten kann, werden auch RegenfÀlle zunehmen, jedenfalls örtlich.

Weltwoche: Also zum einen mehr DĂŒrre, zum andern mehr Regen?

«Unter dem Titel von Umweltschutz wurden auch grösste Verbrechen begangen.»

Bojanowski: Wenn man genauer in die Uno-Klimaberichte schaut, ist es unklar, wo es mehr DĂŒrre gibt und wo mehr Niederschlag. Lange Zeit galt die Regel, dass sich das alles verstĂ€rken werde, also noch mehr DĂŒrre, wo es schon trocken ist, und noch mehr NiederschlĂ€ge, wo es schon viel regnet. Diese Regel wurde aber nicht bestĂ€tigt. Aktuelle Studien zeigen, dass Hochwasser nicht zugenommen haben. Hochwasser hĂ€ngen von vielen EinflĂŒssen ab, nicht nur von Regenmengen.

Weltwoche: Von der KomplexitÀt des Klimas?

Bojanowski: Siedlungen liegen hĂ€ufig in natĂŒrlichen Überflutungsgebieten. Zudem kann man sich gegen Wetterextreme aber auch schĂŒtzen. Das ist ebenfalls ein Argument, das Klimalobbyisten torpedieren, weil dann vermehrt Ingenieure und die lokale Politik zum Zuge kĂ€men, die an Einfluss gewĂ€nnen.

Weltwoche: Und das passt den einschlÀgigen Organisationen nicht?

Bojanowski: Ja, internationale Organisationen haben ein riesiges Interesse daran, das Thema Klimawandel hochzukochen, weil es dann Konstrukte wie sie braucht, um diesen global zu anzugehen. Konzentriert man sich dagegen mehr auf Anpassung an den Wandel, wÀre das nicht mehr Sache der obersten politischen Ebene. Es geht also im Hintergrund auch um Macht und Einfluss. Ich gehe in meinem Buch auch der Frage nach, wer eigentlich von diesen fehlgeleiteten Debatten profitiert.

Weltwoche: Wer ist Hauptprofiteur?

Bojanowski: Es sind grosse Lobbygruppen entstanden, die Profit daraus schlagen. Zehntausende Jobs wurden geschaffen, viele fĂŒr Akademiker, die davon profitieren, dass sie argumentativ die Apokalypsebeschwörung betreiben. Philanthropen, die reichsten Leute der Welt, profitieren von diesem Katastrophismus, weil sie Geld ihrer Stiftungen in diese Lobby investieren und damit Netzwerke knĂŒpfen. Global bilden sich so politische Netzwerke, die sich nicht rechtfertigen mĂŒssen. Die werden auch nicht hinterfragt, weil es ja im Namen der Weltrettung geschieht. Kaum jemand fragt wirklich nach.

Weltwoche: Was ist schÀdlich daran?

Bojanowski: Diese Art von Macht muss man schon hinterfragen. Denn unter dem Titel von Umweltschutz wurden auch grösste Verbrechen begangen. In manchen LÀndern werden im Namen einer Klimaagenda Leute vertrieben, WÀlder gerodet, WÀlder aufgeforstet in Regionen, wo eigentlich Leute leben und Landwirtschaft betreiben. Bill Gates kritisiert, dass diese Art der Klima-Priorisierung mittlerweile schÀdlich sei, weil Mittel aus der Gesundheitsversorgung abgezogen werden, um Klimabilanzen zu schönen. Mein Buch beschreibt, wie diese Lobby zu einer politischen Gefahr geworden ist.

Weltwoche: Was ist der Unterschied zwischen den Klimaberichten des Weltklimarats und den Zusammenfassungen fĂŒr Politiker und Journalisten?

Bojanowski: Das ist wie das Spiel mit der FlĂŒsterpost, bei dem ein Satz von Person zu Person ins Ohr weitergeflĂŒstert wird. Auf der einen Seite sind die Wissenschaftler, die die mehrtausendseitigen Uno-Klimaberichte erstellen. Es sind insgesamt qualitativ hochstehende Berichte, die den Stand der Wissenschaft einigermassen verlĂ€sslich dokumentieren. Auf der anderen Seite gibt es die FlĂŒsterpost, Zusammenfassungen fĂŒr Politiker, fĂŒr Entscheider.

Weltwoche: Ab da wird es unseriös?

Bojanowski: Diese Zusammenfassungen werden mit Politikern verhandelt. Jedes Land und jede Interessengruppe versucht, ihre Formulierungen reinzubringen und das Beste aus dem Report fĂŒr sich herauszuholen. So erhĂ€lt diese Zusammenfassung schon einen bestimmten Drall, und erst recht tendenziös werden dann die daraus erstellten Pressemitteilungen.

Weltwoche: Das ist also das, was dem Publikum primÀr vorgesetzt wird?

Bojanowski: Die Medien beziehen sich fast immer auf die Pressemitteilung, sodass dann die abstrusesten Abweichungen zwischen ursprĂŒnglichem Bericht und Pressemeldungen entstehen. Teilweise ist kaum mehr wiederzuerkennen, welches eigentlich die ZusammenhĂ€nge sind.

Weltwoche: Was ist die Folge?

Bojanowski: Die öffentliche Debatte wird von der Wissenschaftsdebatte abgekoppelt. Das ist sehr problematisch, weil es dann in den Medien jeweils heisst: Der Uno-Klimabericht sagt das und das, dabei stimmt das gar nicht. Das sind zwei Welten, die nicht mehr viel Kontakt miteinander haben.

Weltwoche: Stimmt es, dass die Klimawissenschaft sich einig ist ĂŒber den Klimawandel oder zumindest einen Konsens von 97 Prozent hat?

Bojanowski: Diese Studien sind wirklich schlimm. Diese Art von Konsensstudien sind reine Politik und werden von Aktivisten gemacht, dann aber von Journalisten dankbar aufgegriffen, weil man so eine handfeste Messgrösse erhÀlt.

«Die plausibelste Theorie ist, dass der Mensch wesentlich zur globalen ErwÀrmung beigetragen hat.»

Weltwoche: Wenn man die Wissenschaftler fragt: Was ist die grosse ungeklÀrte Frage?

Bojanowski: Sie lautet meistens: Was bedeutet der Klimawandel fĂŒr die Menschen? Was bedeutet das fĂŒr die Leute, fĂŒr eine Region, fĂŒr die Menschen vor Ort?

Weltwoche: Und die Antwort?

Bojanowski: Diese Fragen lassen sich kaum beantworten. Das ist das grosse Problem in der Klimaforschung – und in den Medien wird gerne das Gegenteil erzĂ€hlt. Da kommen immer neue Schlagzeilen ĂŒber noch bessere Supercomputer-Modelle, die zeigen sollen, wie das Klima in hundert Jahren in ZĂŒrich oder im Engadin sein wird. Das ist Unsinn. Diese Regionalmodelle funktionieren nicht verlĂ€sslich.

Weltwoche: Was bringen die Uno-Klimagipfel?

Bojanowski: Sie sind im Grunde eine BĂŒhne, auf der die Leute regelmĂ€ssig zusammenkommen und bestimmte Themen verhandeln. Bei meinem letzten Besuch einer Klimakonferenz fand ich, dass sich diese Treffen zu einem Fest einer Klima-Schickeria entwickelt haben, einer Elite, die zusammenkommt und sich gegenseitig feiert.

Weltwoche: Stimmen die Aussagen ĂŒber das Artensterben?

Bojanowski: Einen Bezug zwischen Artensterben und Klimawandel gibt es bislang nicht. Man hört immer wieder, der Klimawandel raffe die Arten dahin, aber es ist meines Wissens noch keine einzige Art wegen des Klimawandels ausgestorben. Es gab mal eine Schnecke, die angeblich deswegen verschwand, die wurde dann aber wieder gefunden.

Weltwoche: Ein emotionales Thema fĂŒr Schweizer: WĂ€re es wirklich verheerend, wenn die Gletscher schmelzen wĂŒrden?

Bojanowski: Eine Welt ohne Gletscher ist fĂŒr die Natur kein grosses Problem. FĂŒr Menschen sind Gletscher vor allem als Grundwasser- und Trinkwasserreservoirs wichtig, in Regionen wie SĂŒdamerika, dem Himalaja, SĂŒdasien, den Alpen. Da kann es in der Tat gravierende Probleme geben, wĂŒrde die Trinkwasserversorgung nicht umgestellt.

Weltwoche: Haben junge Menschen ein feineres GespĂŒr, wenn es um die Klimabedrohung geht, als Ă€ltere Menschen?

Bojanowski: Ein bekanntes Prinzip der Umweltbewegung ist, dass als Sprecherinnen der Bewegung gerne junge Frauen eingesetzt wurden. Oft stammen sie aus gutbetuchten Milieus und sind typische Figuren im Kampf der neuen Reichen gegen die alten Reichen. Die Auseinandersetzung zwischen dem neuen und dem alten Reichtum ist eine wesentliche Grundierung der Klimabewegungen, die ĂŒber Umweltrestriktionen Sand ins Getriebe des kapitalistischen Systems zu streuen versuchen.

Weltwoche: Stimmt es, dass die Àltere Generation schuld ist am Klimawandel?

Bojanowski: Auch das ist so ein furchtbares Narrativ, das zum dogmatischen Spiel von Gut und Böse in der Klimadebatte gehört. Eigentlich hat ja die Ă€ltere Generation einen Wohlstand erschaffen, den es noch nie gegeben hat. Wir profitieren alle von neuen technologischen und medizinischen Möglichkeiten, auch der sogenannte globale SĂŒden. Die Menschen haben enorm viele Vorteile, auch beim Schutz vor Extremwetter. Heute sterben viel weniger Leute in Wetterkatastrophen als frĂŒher. All dies wurde ermöglicht durch die fossilen Energien, die aus Klimasicht zu Recht problematisiert werden. Diese Polarisierung aber ist absurd, man muss alles zusammen betrachten.

Weltwoche: Soll man sich bei der Suche nach Lösungen fĂŒr das Klimaproblem mehr auf den Staat oder auf die Privatwirtschaft verlassen?

Bojanowski: Das zentrale Problem der Klimadebatte ist, dass Regierungen und Politiker von Anfang an versucht haben, so viel wie möglich auf ihre MĂŒhlen zu leiten, nach dem Muster: Da gibt es ein grosses Problem, das Wissenschaftler untersuchen, dann werden primĂ€r jene Wissenschaftler als AutoritĂ€ten benutzt, die das Problem besonders aufbauschen und den Politikern damit als willkommene Stichwortgeber dienen. Das fĂŒhrt dazu, dass die Regierungen sich auf den Standpunkt setzen, sie seien es, die den besten Lösungsweg kennen und vorgeben können.

Weltwoche: Zu Unrecht?

Bojanowski: Eigentlich ist der Klimawandel ein spieltheoretisches Problem. Es lĂ€sst sich nur lösen, wenn alle oder die meisten mitmachen. Jeder Einzelne fĂŒr sich hat kein Interesse an der Kooperation, weil das fĂŒr ihn teuer ist. Es mĂŒssen also alle gleichzeitig mitmachen und dabei Vorteile haben. Das heisst, es ist weitgehend ein ökonomisches Problem.

Weltwoche: Dann muss man die Ökonomen fragen?

Bojanowski: Ja, aber gerade die Ökonomen, die sich zu diesem Thema geĂ€ussert haben, zum Teil schon in den 1980ern, wie ich es auch im Buch beschreibe, die wurden dann gleich in die Ecke der Klimaleugner gedrĂ€ngt.

Weltwoche: Mit welchem Vorwurf?

Bojanowski: Das AbwÀgen zwischen Kosten und Nutzen ist in der Klimapolitik verpönt. Unter scharfen Beschuss geraten alle, die versuchen, AbwÀgungsrechnungen anzustellen, ein Optimum zu suchen, also zu ermitteln, wie viel ErwÀrmung zuzulassen ist, damit die Kosten nicht zu hoch werden.

Weltwoche: Wie weit sich Klimaschutz lohnt, darf man also nicht fragen?

Bojanowski: Vielerorts nicht, zum Beispiel in Deutschland, dem vielleicht dĂŒmmsten Land in Sachen Klimaschutz. Da ist es der Politik egal, wie teuer die Treibhausgasreduktion wird, da wird immer gesagt: Jede eingesparte Tonne CO2 ist wichtig, selbst wenn dies 5000 Euro pro Tonne kostet. Dabei ist die AbwĂ€gung von Kosten und Nutzen das Entscheidende fĂŒr eine erfolgreiche Klimapolitik. Einsparungen sollen dort erfolgen, wo sie ökonomisch am gĂŒnstigsten sind. Und diese Probleme kann die Privatwirtschaft besser lösen als der Staat, weil der Preismechanismus, in dem die zahllosen Informationen zusammenfliessen, ja in der Privatwirtschaft wurzelt.

Weltwoche: Welche Menschen sind klimafreundlicher? Linke oder politisch rechts orientierte?

Bojanowski: Das lĂ€sst sich nicht verallgemeinern. Es gibt aber interessante Studien, die zeigen, dass Leute, die besonders viel ĂŒber Klimaschutz und Umweltschutz reden, also viel grĂŒne Rhetorik produzieren, sich innerlich bereits eine Art Vorschuss geben. Die Sozialforschung zeigt klar, dass diese Leute dann im entscheidenden Fall tendenziell weniger umweltfreundlich handeln, weil sie diesen innerlichen Kredit als Pluspunkt fĂŒr sich buchen, nach dem Motto: Ich setze mich ja stĂ€ndig fĂŒr Umweltschutz ein, da kann ich mir im konkreten Fall doch wirklich mal diese Flugreise gönnen. Eine solche hochinteressante Ambivalenz durchzieht das ganze Klimathema.

Die 3 Top-Kommentare zu "«Deutschland ist das vielleicht dĂŒmmste Land in der Klimadebatte»"
  • mgrieme

    Auch Herr Bojanowski lebt von der Klimadebatte... Dabei ist es doch so einfach: Beim sog. Klimawandel / Klimaschutz geht gar es nicht ums Klima, sondern ums Geld. Wie immer.

  • marlisa.s

    ZufĂ€llig Gredig direkt geschaut. Wie bei Ă€ssĂ€rĂ€ff ĂŒblich, waren wieder zwei apokalyptische Panikmacher zu Gast. NĂ€mlich der Aktivist Knutti und der Wetterfrosch Bucheli, eine harmonische Kombination, die beide gleicher Meinung waren und voll an die CO2-ErwĂ€rmungstheorie glaubten. Jeder nickte jeweils ab, wenn der andere sprach. Gebraucht hĂ€tte es neben dem ideologischen Knutti ein nĂŒchterner Wissenschaftler, der eine Antithese vertritt. Erst dann wĂ€re die Diskussion spannend gewesen.

  • svenmum

    Also das mĂŒssen Sie mir zuerst beweisen. Nicht erwĂ€hnt haben sie die Giftgase und Feinstaubanteile, die anthropogen sind, sowie die Chemtrails die bewusst aus unerfindlichen GrĂŒnden Giftstoffe wie Barium, Strontium und Aluminium zur Wetterbeeinflussung auf uns regnen lassen. Ebenfalls schweigsam bleiben Sie bei den durch Kriminelle angezĂŒndeten WĂ€ldern.