Zu viele Politiker aus der reichen Welt sowie Klimaschützer vergessen, dass ein Grossteil der Welt nach wie vor in Armut und Hunger verhaftet ist. Trotz diesen Missständen machen sich die Regierungen reicher Länder daran, ihre Entwicklungshilfe zunehmend durch Klimaausgaben zu ersetzen. Die Weltbank, deren primäres Ziel es ist, Menschen aus der Armut zu helfen, hat nun angekündigt, nicht weniger als 45 Prozent ihrer Mittel in den Klimawandel umzuleiten und damit jährlich etwa vierzig Milliarden Dollar aus dem Engagement gegen Armut und Hunger abzuziehen.

Es ist ein Leichtes, das Klima als Priorität für die Welt zu betrachten, wenn man ein bequemes Leben führt. Die 16 Prozent der Weltbevölkerung, die komfortabel in diesen Ländern leben, müssen in der Regel nicht hungern oder mit ansehen, wie ihre Angehörigen an Krankheiten wie Malaria oder Tuberkulose sterben, die eigentlich leicht behandelbar sind. Die meisten von ihnen sind gutausgebildet, und ihr Durchschnittseinkommen liegt in der Grössenordnung dessen, was einst Königen und Adel vorbehalten war.

 

Zugang zu günstiger Energie

Ein Grossteil des Rests der Welt hat jedoch immer noch zu kämpfen. In den ärmeren Ländern sterben jedes Jahr fünf Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag, und fast eine Milliarde Menschen haben nicht genug zu essen. Mehr als zwei Milliarden müssen mit umweltschädlichen Brennstoffen wie Dung und Holz kochen und heizen, was ihre Lebenserwartung verkürzt. Obwohl die meisten Kinder heute zur Schule gehen, bedeutet die niedrige Bildungsqualität, dass die meisten Jugendlichen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen funktionale Analphabeten bleiben werden.

Die armen Länder brauchen dringend besseren Zugang zu billiger und reichlich vorhandener Energie, also zu Ressourcen, die den reichen Ländern früher die Möglichkeit gaben, sich zu entwickeln. Der mangelhafte Zugang zu Energie hemmt die Industrialisierung, das Wachstum und die Entwicklungschancen. Ein Beispiel: In Afrika ist die Elektrizität so knapp, dass die gesamte verfügbare Strommenge pro Person viel geringer ist, als ein einziger Kühlschrank in der reichen Welt verbraucht.

 

Klimawandel mit geringem Effekt

Es ist eine miserable Entscheidung, Entwicklungsgelder für Klimaausgaben zu verwenden. Gewiss, der Klimawandel ist real, aber die Daten rechtfertigen es nicht, dass man die knappen Entwicklungsressourcen für Klimamassnahmen verwendet und ihnen so Vorrang vor der Bekämpfung armutsbezogener Probleme einräumt.

Klimaaktivisten argumentieren, dass Armut und Klimawandel untrennbar miteinander verbunden seien und wir beides tun sollten. Aber das tun wir ja gerade nicht. Und Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Ausgaben für zentrale Entwicklungsprioritäten pro ausgegebenen Dollar viel mehr und viel schneller helfen als Mittel, die in den Klimaschutz fliessen. Das liegt daran, dass echte Entwicklungsinvestitionen – ob zur Bekämpfung von Malaria, zur Förderung der Gesundheit von Frauen und Mädchen, zur Förderung von E-Learning oder zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität – das Leben der Menschen schon jetzt dramatisch verbessern und die ärmeren Länder in vielerlei Hinsicht besserstellen können, unter anderem auch, indem sie widerstandsfähiger gegen Naturkatastrophen und zusätzliche, klimabedingte Katastrophen werden.

Kohle, Erdöl und Erdgas sind durch nichtfossile Energieformen ersetzt worden.

Im Gegensatz dazu würden selbst drastische Reduzierungen der CO2-Emissionen erst in einer Generation oder später zu spürbar anderen Ergebnissen führen. Ausgaben für die Anpassung an den Klimawandel, um die Widerstandsfähigkeit der armen Länder zu stärken, sind zwar etwas effizienter als Emissionssenkungen, aber beide Massnahmen sind weit weniger wirksam als Investitionen in die beste Entwicklungspolitik.

Der Klimawandel bedeutet nicht das Ende der Welt. Tatsächlich zeigen die Szenarien des Uno-Weltklimarats IPCC, dass sich die Welt im Lauf des Jahrhunderts dramatisch verbessern wird und dass der Klimawandel – all den Panikkampagnen zum Trotz – diesen Fortschritt nur geringfügig bremsen wird. Im vergangenen Jahr wurde weltweit die höchste Getreideproduktion aller Zeiten erzielt. Da die Einkommen und Erträge weiter steigen, wird der Hunger in den kommenden Jahrzehnten drastisch zurückgehen. Es wird prognostiziert, dass der Klimawandel den Rückgang des Hungers nur geringfügig verlangsamen wird.

Ebenso geht der IPCC davon aus, dass das globale Durchschnittseinkommen bis zum Jahr 2100 um das 3,5-Fache steigen wird, wenn man annimmt, dass es keinen Klimawandel gibt. Und selbst wenn wir wenig gegen den Klimawandel unternehmen – so zeigt es Professor William Nordhaus auf, der einzige Klimaökonom, der den Nobelpreis erhalten hat –, wäre es so, dass dies den Fortschritt nur leicht beeinträchtigen würde: Bis 2100 würden demnach die Einkommen immer noch um das 3,34-Fache steigen.

Wir sollten den Klimawandel intelligent angehen, indem die Regierungen der reichen Länder die dringend benötigten langfristigen Investitionen in die Forschung und Entwicklung grüner Energien tätigen, um kostengünstige Lösungen zu entwickeln, die zuverlässige Energie zu Preisen liefern, die sich jeder leisten kann. Ein Grossteil der ärmeren Welt will vor allem die Menschen aus der Armut holen und ihre Lebensqualität mit billiger und zuverlässiger Energie verbessern.

Doch die Vertreter reicher Länder weigern sich jetzt, irgendetwas zu finanzieren, das auch nur im Entferntesten mit fossilen Brennstoffen zu tun hat.

 

Echte Verbesserungen

Das hat einen Beigeschmack von Heuchelei, denn die reichen Länder beziehen selber fast vier Fünftel ihrer Energie aus fossilen Brennstoffen, vor allem weil Solar- und Windenergie wegen ihrer Unzuverlässigkeit und ihrer Speicherprobleme keine valablen Alternativen sind. Dennoch tadeln die reichen Länder in ihrer Arroganz die armen Länder dafür, dass diese einen besseren Zugang zu Energie anstreben, und schlagen vor, dass die Armen irgendwie «einen Sprung vorwärts» machen und zu flatterhafter Solar- und Windenergie übergehen sollten, deren Unzuverlässigkeit die reiche Welt für ihren eigenen Bedarf nicht akzeptiert.

Für die meisten armen Länder steht der Klimawandel weit unten auf der Prioritätenliste der Menschen, die in diesen ärmeren Verhältnissen leben. Eine grosse Umfrage unter führenden Politikern in Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen zeigt, dass Bildung, Beschäftigung, Frieden und Gesundheit ganz oben auf der Liste der Entwicklungsprioritäten stehen, während der Klimawandel lediglich auf Platz zwölf von sechzehn Themen erscheint.

Die ärmere Hälfte der Welt verdient sicherlich Chancen, ihr Leben zu verbessern. Aber wenn die Politiker mehr Geld fordern, um angeblich den Ärmsten der Welt zu helfen, dann sollten wir verlangen, dass diese Mittel in effiziente Entwicklungsprojekte fliessen, die tatsächlich Leben retten und verändern, und nicht in gutmenschenartige, ineffiziente Klimaprogramme.

 

Björn Lomborg ist Präsident des Copenhagen Consensus und Visiting Fellow an der Hoover Institution der Stanford University. Sein neues Buch, «Best Things First», wurde vom Economist zu einem der besten Bücher des Jahres 2023 gekürt.