Man stelle sich vor, pünktlich zum Frühlingsputz würden sich alle Einwohner eines Dorfes beim Friedhof versammeln, um dort die Gräber ihrer Ahnen und Urahnen zuerst zu reinigen und dann mit frischen Opfergaben zu beschenken. Genau dies passiert heuer in ganz China.

Am 4. April ist Qingming – Fest der reinen Helligkeit. Das Datum richtet sich nach dem chinesischen Mondkalender und fällt auf den ersten Tag der fünften Sonnenperiode. Somit kann es ein Datum zwischen dem 4. und 6. April sein.

Traditionellerweise nützen Chinesen auf der ganzen Welt ihren arbeitsfreien Tag, um im Kreis der Familie die Grabstätten zu besuchen. Im Glauben an ein Leben nach dem Tod und unter der Annahme, dass jede ausserterminliche Reinigungstätigkeit den Ruhefrieden der Verstorbenen stören würde, nützen sie die Möglichkeit an Qingming. Nach der Komplettreinigung werden Räucherstäbchen angezündet.

Zu den beliebten Opfergaben zählen echte Lebensmittel. Nicht selten zieren ganze Mahlzeiten den Grabesrand. Besteck darf natürlich auch nicht fehlen. In manchen Regionen wird Papiergeld verbrannt, denn auch im Jenseits soll gelten: Geld regiert die Welt.

In Singapur haben mich als Kind immer die bunt-goldenen Kartonausführungen von Alltagsgegenständen inklusive Hausrat fasziniert. Schmuck aus Karton, wie auch Möbel, Autos, Kleidung und Schuhe – nichts, was es nicht gibt. Für die modeliebende verstorbene Oma kann so ein ganzer Kleiderschrank mit den schillerndsten Abendkleidern ins Jenseits verb(r)annt werden. Den Maserati, den Urgrosspapa ein Leben lang ersehnt hat, können ihm seine Hinterbliebenen als Abschiedsgeschenk nachreichen. Unsere Ahnen und Urahnen sollen es gut haben nach dem Tod, wenigstens an einem Tag im Jahr. Schliesslich waren auch sie immer gut zu uns. Zumindest an einem Tag im Jahr.