Auf dem Schild im Schaufenster an der Rigistrasse in Zug steht geschrieben: «Wir reparieren auch ihre Kirchenuhr.» Daneben platziert ist eine historische, mechanische Turmuhr aus Le Brassus im Vallée de Joux. Ein Gag. Es ist das Jahr 2021, die neue Filiale von Kobler Zug wird noch saniert. Es ist die Zeit der Pandemie, doch beim 1996 gegründeten Juwelier ist die Stimmung zuversichtlich. Das liegt weniger an den Uhren, die hier wieder instand gesetzt werden – sondern an den in allen Farben funkelnden Schmuckstücken, auf die man sich spezialisiert hat.

 

Beryll, Turmalin und Fussball

Drei Jahre später laufen die Geschäfte im Goldschmiede- und Uhrmacheratelier längst wieder wie geschmiert. Das ist auch auf dem Erfindergeist zurückzuführen, den die beiden Gründer und Geschäftsführer, die Brüder Andreas und Bruno Kobler, an den Tag legen. So wie an diesem warmen Tag im Juni, als man vor versammelter Presse im Ladengeschäft, das auch als Werkstatt dient, eine Weltneuheit enthült. Doch zuerst liefert Andreas Kobler etwas Kontext: «Heutzutage werden pro Jahr rund 85 Goldschmiedelehrlinge zu wenig ausgebildet», sagt er, der wie sein Bruder Goldschmied, Restaurationstechniker, Uhrmacher und Gemmologe in Personalunion ist. Dabei weiss der 55-Jährige genau, wie man neuen Nachwuchs gewinnen und für den Beruf begeistern kann. Der zweieinhalbminütige Film «Tourmaline Hunting» ist dafür ein gelungenes Lehrbeispiel.

Der atmosphärische Film zeigt, wie Männer unter der sengenden namibischen Sonne in trockenem Gestein nach Schätzen graben, die dort über Millionen von Jahren endlos langsam gewachsen sind: Aquamarin, gelbbrauner Topas, farbloser Beryll, grüner Fluorit, Quarz. Am Ende des Films hält jemand einen grossen, klaren, türkisblauen Edelstein in die Sonne: einen «lagunfarbenen» Turmalin-Kristall, komplett frei von eingeschlossenen Fremdstoffen. Der Rohkristall, so Andreas Kobler, habe ein Gewicht von 35 Karat aufgewiesen, «ein Jahrhundertfund». Es seien Steine wie dieser – der heruntergeschliffen auf 25 Karat für rund 130 000 Franken verkauft werden konnte –, die Schmuckstücke wie Ringe, Ohrringe, Broschen oder Ketten überhaupt erst wirtschaftlich machen würden.

Wenn Kobler erzählt, dass man ursprünglich sogar gleich zwei dieser Riesen-Turmaline gefunden habe, der zweite Stein beim Schleifen allerdings zersprungen sei, wie es gerne mal passiere, erhält man eine vage Idee davon, wie viel Risiko sein Berufsalltag mit sich bringt. Es erklärt aber auch die Emotionen, die ihn packen und seine Augen ebenfalls zum Strahlen bringen, wenn er von seiner Leidenschaft für Farbedelsteine erzählt, von den vielen Reisen nach Thailand und Afrika oder vom Fussballklub in Swakopmund, den man unterstütze.

Die Episode aus dem Erongo-Gebirge und der erwähnte Film dienen dazu, Klientinnen und Klienten zu zeigen, wie nahe die Gebrüder Kobler dran sind an den Steinen, die man später eigens zu Schmuckstücken verarbeitet und schliesslich verkauft. Wie viel Aufwand betrieben wird, um deren Wege zu dokumentieren. Wie eng die Beziehungen zu Schürfern, Schleiferinnen, Händlern sind. Wie viel man sich die Transparenz kosten lässt. Und wie viel man in die Zukunft investiert.

 

«Mine to Customer»

Gerade das Thema Transparenz ist für Andreas Kobler der Schlüssel zu einem anhaltenden wirtschaftlichen Erfolg. Bei Kobler Zug verfolge man das Konzept «Mine to Customer» in aller Konsequenz. «Als erster Juwelier weltweit besitzen wir seit kurzem einen Diamanten mit vollständig transparenter Lieferkette», sagt er. Dabei handelt es sich um einen gelben Stein im quadratischen sogenannten Asscher-Schliff, fünf Karat schwer, ebenfalls aus Namibia stammend. Seine offizielle Farbbezeichnung lautet «Fancy Vivid Yellow», doch wirklich einzigartig macht den Stein sein kompletter Herkunftsnachweis inklusive physischer Tracer und Blockchain-Zertifizierung. So kann dessen Authentizität zu jedem späteren Zeitpunkt bestätigt werden.

Einfach gesagt, wurde der gelbe Diamant mit einem wissenschaftlichen Verfahren unsichtbar markiert. Das bedeutet, dass er in eine Lösung getüncht und so mit DNA-Nanopartikeln versehen worden ist, die am Stein haftenbleiben. Diese DNA enthält spezifische Fakten des Steins, was eine komplette, unwiderrufliche Rückverfolgbarkeit garantiert. So kann die Käuferin jederzeit auf ihrem Handy einsehen, wann und wo ein Stein gefunden und geschliffen wurde respektive eine Veränderung oder einen Besitzerwechsel erfahren hat. Auch Eigenschaften wie die Farbe, die Form oder das Gewicht in Karat werden festgehalten.

Die Koblers arbeiten hierbei eng mit Klemens Link zusammen. Der Deutsche leitet die zur Gübelin-Gruppe gehörende Firma Provenance Proof seit deren Gründung. Das Luzerner Unternehmen entwickelt sämtliche Technologien gemeinsam mit Partnern und bietet eine innovative, unabhängige und vor allem neutrale Lösung an, um Lieferketten zu prüfen, zu dokumentieren und so die Herkunft von Steinen zu bestätigen. Besonders wichtig für Juwelier Kobler sei der direkte Kontakt zu den Schürfgebieten. Sein Ziel: so viele Steine wie möglich direkt vor Ort bei der Mine zu markieren. Derzeit führe man rund 700 davon im Angebot.

Andreas Kobler spricht gerne Klartext. «Absolute Transparenz sorgt für Gelassenheit bei der Kundschaft», sagt er und bezieht sich dabei natürlich vor allem auf die Problematik, die bei der Provenienzdiskussion stets mitschwingt, nämlich dann, wenn es um Ethik und Kristalle aus Konfliktgebieten geht. Kobler spricht aber auch darüber, welche Kosten und Aufwände eine solche Transparenz mit sich bringt. Der Preis des gelben Diamanten beispielsweise habe sich vervierfacht. Den Stein hat Bruno Kobler in das Design eines Leoparden-Rings integriert, wobei das elegante Raubtier den rohen Stein mit der Tatze bewacht. Ja, Kobler Zug beherrscht auch das Storytelling.

 

Mehr als ein kurzfristiger Vorteil

Täglich würden ihn Informationen und Fotos zu Hunderten von Steinen erreichen, die in Namibia über einen einfachen Holztisch oder an Handelsplätzen wie Bangkok über die Tresen der Händler gehen, erzählt Andreas Kobler weiter. Ohne persönliche Kontakte laufe gar nichts. Durch die Zusammenarbeit mit Provenance Proof verspreche man sich nun natürlich auch einen Marketingeffekt. Doch geht es Kobler Zug nicht nur um den eigenen kurzfristigen Vorteil. Vielmehr möchte man mit diesen Bemühungen einen nachhaltigen Beitrag für die ganze Branche leisten. Denn wer nichts wagt, der gewinnt nichts. Und wer nicht mit der Zeit geht, der muss mit der Zeit gehen. Dessen sind sich die Juweliere, Turmalin-Jäger und Uhrmacher nur allzu sehr bewusst.