Aus mir nicht erklärbaren Gründen ist Velofahren zu einem politischen Statement geworden, und Velofahrer machen sich gerne als notorische Nörgler unbeliebt. Kürzlich habe ich zwei Videos – allerdings aus Deutschland – gesehen, die für diese Behauptung sprechen: Auf dem einen blockiert eine vorfahrtsberechtigte Kurierfahrerin mit ihrem Lastenvelo minutenlang die Strasse und hindert einen Schulbus mit Kindern daran zu passieren. Auf dem andern hindert ein Lastenvelofahrer einen Entsorgungs-LKW am Weiterfahren, weil er nicht einsieht, dass er kurz auf das Trottoir ausweichen müsste.
Ich plädiere für das entspannte Teilen der Strasse – sie ist schliesslich für alle da – und fahre in meiner Freizeit völlig unpolitisch Rennvelo. Mein Anliegen in dieser Sache ist eher mental und gesundheitlich orientiert. Ich halte mich nicht für einen besseren Menschen, nur weil ich auf dem Velo sitze – aber für einen glücklicheren.
Seit zweieinhalb Jahren bin ich mit einem genialen S-Works-Modell des kalifornischen Herstellers Specialized unterwegs. Es war annähernd so teuer wie ein Kleinwagen, ist aber jeden Franken wert. Allein schon deswegen, weil die Art von Qualitätsanmutung, welche in dieser Velopreiskategorie geboten wird, eine Ausstrahlung hat, die jeder Pedalumdrehung einen besonderen Wert gibt.
Wenn ich zum Beispiel um sechs Uhr aufstehe, um 6.30 Uhr auf dem Velo sitze und dann für meine Runde durch das Limmattal über Höngg nach Weiningen rolle und in der morgendlichen Stille lediglich das summende Geräusch vom Abrollen der Reifen zu hören ist, gibt einem das ein Gefühl technischer Erhabenheit. Auch das charakteristische mechanische Sirren des hochwertigen SRAM-Antriebs, das ertönt, sobald man aufhört zu treten, ist ein akustisches Qualitätszeichen.
Mein «Roubaix» ist auf einem leichten Carbonrahmen aufgebaut, dessen Struktur unter der dünnen mattgrauen Lackierung noch durchscheint. Zum elegant-sportlichen Auftritt gehören ein fein schillernder Schriftzug in Regenbogenfarben, eine gefederte Sattelstütze und ein verstellbares Federelement an der vorderen Gabel namens Future Shock 2.0.
Den Widrigkeiten des Alters davonfahren
Insgesamt scheint mir dies das perfekte, mit ausschliesslich menschlichen Kräften angetriebene Zweirad für Hobbyfahrer wie mich, die in der Mitte des Lebens versuchen, auf dem Rennvelo den Widrigkeiten des zunehmenden Alters davonzufahren. Die Poesie des Radfahrens liegt für mich dabei eher in der Bewegung als im Leiden, in einem leicht erhöhten Puls und dem zügigen, aber entspannten Vorankommen.
S-Works Roubaix (SRAM Red eTAP AXS)
Rahmen: FACT 11r, Rider-First Engineered™ (RFE); Fahrwerk/Gabel: Future Shock 2.0; Laufräder/Reifen: Roval Alpinist CLX 21 mm mit Turbo-Cotton-Reifen 700 x 28; Bremsen: SRAM RED eTAP AXS, hydraulische Scheiben; Schaltwerk: SRAM RED eTAP AXS, 12-Gang; Preis: ca. 12 000 Euro
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