Tunella: Biancosesto Friuli Colli Orientali D.O.P. 2022.13,5 %. Fischer Weine, Sursee. Fr. 27.50. www.fischer-weine.ch

Mein Freund C. versteht viel von Reben, von Weinen und vom Weinmachen. Und er ist auch über sein Metier hinaus ein gebildeter Mann mit Witz und einer scharfen Zunge. Seine losen Reden zielen zuweilen mit Absicht über das Ziel, um im Nebenher die Wahrheit zu treffen. So ein Satz von ihm ist: «In Bordeaux können sie gar keine Weissweine machen. Die weissen Bordeaux sind eigentlich alles verkleidete Rotweine.»

Kommt mir in den Sinn, wie ich einen Wein im Glas habe aus einer Zone, welcher mein Freund eine geballte Weissweinkompetenz auch im Scherz gewiss nicht absprechen würde. Die Familie Zorzettig bewirtschaftet in der äussersten nordöstlichen Ecke Italiens, in den Colli Orientali von Friaul-Julisch Venetien, in dritter Generation Rebberge von 70 Hektar, sozusagen hart an der slowenischen respektive österreichischen Grenze. Massimo und Marco Zorzettig bauen auch zu 30 Prozent Rotweine an, die sie zum Teil aus angetrockneten Trauben von gleichfalls einheimischem Schioppettino oder Arcione halbsüss ausbauen. Aber 70 Prozent ihres Geländes und ihrer Mühewaltung gehören Weissen, unter anderem einem ganz erstaunlichen Wein, den sie «Biancosesto» nennen.

Er ist der Verschnitt zweier autochthoner friaulischer Rebsorten, der schon im Namen heimischen Friulano und der Ribolla gialla. Den ganz und gar eigenständigen Weisswein einen verkappten Rotwein zu nennen, wäre eine glatte Beleidigung. Und dennoch: Am Gaumen hat er die Macht, im langen Abgang die Pracht eines Roten, ungeachtet seiner sonstigen floral fliegenden Anmutung (Blütendüfte zahlloser Anwehungen, unter anderem von Akazien oder Orangenblüten); und ungeachtet einer eher saftigen Frucht-Eleganz, verführerischer Noten von frischem Pfirsich, Birnen und Aprikosen. Man ist versucht, ins Glas zu beissen.

Ich zögere nicht, diesen Biancosesto aus den (auch von mir) zu oft etwas vergessenen sanften Hügeln zwischen Venedig und den Voralpen einen der grossen Weissweine nicht nur Italiens zu nennen. Italien insgesamt gilt ja nicht als Weissweinland, die friaulischen Colli Orientali allerdings schon.

Und die Zorzettigs mit Sitz in Ipplis-Friuli gehören zweifellos zu den Spitzenkönnern im Grenzland. Das beweisen, Kennern zufolge, auch ihr Sauvignon blanc, ihr Pinot grigio, ihr Chardonnay, der reinsortige Friulano und der Ribolla gialla in purezza. Das Nonplusultra des Hauses Tunella (so heisst die einstige azienda Livio Zorzettig seit 2002) ist die Cuvée aus den beiden Letzteren: mit den Mandelnoten des Friulano und der überwältigenden Frische des Ribolla. Und dem Tiefgang am vollen Gaumen von beiden (der sich nicht den 13,5 % Alkohol verdankt).