Als Autofahrer bin ich völlig verweichlicht» – diesen Gedanken hatte ich tatsächlich, nachdem ich zehn Kilometer lang im Porsche Spyder RS gesessen hatte. Die forcierte Elektrifizierungswelle in der Welt der Automobile hat zu einem Verlust an Emotionen geführt, aber auch zu einer deutlichen Komfortsteigerung. Laden ist angenehmer als Tanken, E-Autos fahren meist angenehm leise, sind auf dem neusten Stand der Assistenztechnik und so komfortabel wie ein Abend auf dem Sofa, während im Fernsehen «The Grand Tour» läuft.

An solchen Komfort habe ich mich vielleicht ein bisschen zu schnell gewöhnt, musste ich mir im Porsche eingestehen. Der Zweisitzer ist der letzte seiner Art; Motoren, wie sie in diesem kompromisslosen Sportwagen zum Einsatz kommen, können aufgrund des enger werdenden Vorschriftenkorsetts nicht mehr zugelassen werden.

Beim Spyder RS wird, erstmals bei einem offenen Mittelmotor-Sportwagen von Porsche, der freisaugende Sechszylinder-Boxer aus dem 911 GT3 mit 500 PS eingebaut. Im Vergleich mit einem Elektroauto, auch einem sportlichen, ist das etwa so, als würde man Musik, die am Computer erzeugt wurde, mit einer Band vergleichen, die aus Bassist, Schlagzeuger und Gitarrist besteht.

Tatsächlich geben die Porsche-Ingenieure einem mit diesem Motor eine Art Klangkörper in die Hand, dem man mittels Gaspedal, Gangwahl und Drehzahl eine faszinierende Bandbreite an Tönen entlocken kann. Nur eines ist der Spyder nie: Leise liegt ihm nicht. Mal knurrt und bellt er wie ein guterzogener Deutscher Schäferhund im Polizeieinsatz, mal brüllt er wie eine Horde Krieger aus fernen Zeiten – und das spannungsvolle Kreischen, das dramatisch anschwillt, wenn man den Motor konsequent zu 9000 Umdrehungen zwingt, gehört zu den unvergesslichen akustischen Erinnerungen, die nach einer Fahrt in diesem Auto lange nachhallen.

Der Porsche Spyder RS ist weder bequem noch besonders alltagstauglich – allein um das Stoffverdeck zu entfernen, macht man am besten zuerst einen Youtube-Kurs. Aber genau darum geht es hier, dieses Auto fordert in jedem Moment die volle Aufmerksamkeit des Fahrers. Die Lenkung lässt den Wagen nie einfach stoisch geradeaus fahren, denn eigentlich will sie so bald und so schnell wie möglich um die nächste Kurve. Es gibt zwar einen Tempomaten, aber die einzigen Assistenzsysteme am Steuer sind ansonsten die Hände, Füsse und Sinne des Fahrers.

In ein paar Jahren vermutlich werde ich mich, vollends elektrisch verweichlicht, mit Wehmut an die letzten Kilometer im Porsche Spyder RS erinnern, als Autofahren noch so sinnlich war wie gute, handgemachte Musik.

 

Porsche 718 Spyder RS

Motor/Antrieb: V6-Saugmotor, 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, Hinterradantrieb; Hubraum: 3996 ccm; Leistung: 500 PS / 368 kW; max. Drehmoment: 450 Nm / 6750 U/min; Verbrauch (WLTP): 12,7 l / 100 km; Beschleunigung (0–100 km/h): 3,4 sec; Höchstgeschwindigkeit: 308 km/h; Preis: Fr. 195 100.–; Testwagen: Fr. 233 760.–