Nach dem Tod von Jane Birkin verneigte sich Präsident Emmanuel Macron vor der gebürtigen Londonerin als «französischer Ikone, die Freiheit verkörperte». Denn die Sängerin und Schauspielerin war die bestgeliebte Britin der Grande Nation, wo sie bis zuletzt lebte und wirkte. Sie schien in Turnschuhen, Jeans und Männerhemden förmlich durch ihr Leben zu schweben: hauchende Stimme, entrücktes Lächeln mit entzückender Zahnlücke, zierliche Figur mit langen Beinen – eine Stil-Ikone modern androgyner Sexualität.

Als dem Hippie-Girl 1981 im Flugzeug Utensilien aus der Tasche fielen, mokierte es sich beim Sitznachbar darüber, dass es, ach, leider keine praktischen Handtaschen gebe. Dieser, Jean-Louis Dumas, Chefdesigner und später CEO von Hermès, designte mit ihr auf dem Spuckbeutel spontan die Birkin Bag mit Innentaschen – heute noch werden 8000 bis 33 000 Franken für das rare Luxusteil bezahlt.

1946 in London als Tochter einer Schauspielerin und eines Offiziers geboren, tanzte Jane Birkin in Paris ab Ende der sechziger Jahre im Minirock von Fest zu Party. «Ich war ein lustiges, sexy Ding mit einem dämlichen Akzent.» Stilsicher bewies sie ein glückliches Händchen bei der Auswahl ihrer engsten Wegbegleiter. Sie liebte die Männer, denn «ich brauchte immer jemanden an meiner Seite, um mich komplett zu fühlen». Darunter drei kreative Künstler: der Komponist John Barry (Heirat 1965), der Musiker Serge Gainsbourg (1969–1980) und danach der Filmemacher Jacques Doillon. Birkin hatte mit jedem eine Tochter: Kate starb 2013 mit 46 Jahren bei einem tragischen Fenstersturz, Charlotte (52) und Lou (41) verwirklichen sich wie ihre Mutter in Film und Musik.

Mit neunzehn Jahren nackt im Film

Burschikos und doch zutiefst weiblich, äusserst natürlich und stets authentisch, so schätzte man sie. Sie mochte zerbrechlich wirken, schwach war sie nie. Im Gegenteil: voller Energie und stets Perfektionistin. Birkin lebte und kleidete sich freizügig und posierte mit neunzehn Jahren nackt im Film «Blow-up» von Michelangelo Antonioni; sie spielte in «La piscine» neben Alain Delon und Romy Schneider; sie verzauberte ihr Publikum mit mädchenhaftem Charme in rund fünfzig Filmen. Grossherzig war sie bei humanitären Einsätzen wie im Bosnienkrieg.

Späten Ruhm erlangte Jane Birkin ab 1998 mit Pop-Alben. Dreimal durfte ich sie treffen, und immer verlängerte sie die anberaumte halbe Stunde grosszügig, weil sie gerne aus ihrem reichen Leben erzählte: Liebe und Familiensinn, Musik und Film, die verehrten Töchter und ihre Bulldogge. Zentrum blieb stets, auch nach seinem Tod 1991, Serge Gainsbourg. Über den Troubadour-Rabauken, den sie wegen seiner Eifersucht und seiner Alkoholexzesse verliess, sagte sie jedes Mal: «Ich war ein Niemand, und Serge schenkte mir seine besten Jahre.»

Der wilde Franzose mit Hang zur steten Provokation und die zarte Britin krönten ihre Amour fou 1969 im Chanson «Je t’aime . . . moi non plus». Die erotischste Ode ans Liebemachen setzte der Vatikan auf den Index, viele Radios boykottierten sie – in der Schweizer Hitparade lag der rührende Schmachtfetzen acht Wochen auf Platz eins. Jetzt wird die Hymne der sexuellen Revolution wieder gespielt, seit man Jane Birkin letzten Sonntag im Alter von 76 Jahren tot in ihrer Pariser Wohnung fand. Sie hatte seit Jahren mit Blutkrebs gekämpft, nun ergab sie sich in die Arme ihres geliebten Serge.