Silvia Götschi: Rosenlaui. Emons, 2023. 352 S., Fr. 24.90

Etzelpass. Emons, 2021. 368 S., Fr. 23.90

Bürgenstock. Emons TB, 2018. 320 S., Fr. 19.90

Wann immer Silvia Götschi einen neuen Krimi schreibt – im Schnitt zweimal im Jahr –, wird er ein Bestseller. Ihr neuster, «Rosenlaui», ist derzeit die Schweizer Nummer zwei. 2022 war sie unter den zehn meistgelesenen Autoren der Schweiz. 300 000 Bücher hat die 65-Jährige bislang verkauft, rund 50 000 davon in Deutschland. Von ihrem erfolgreichsten Buch, «Interlaken», wurden 20 000 Exemplare abgesetzt.

«Rosenlaui» spielt beim berühmten Reichenbachfall, den einst Sherlock Holmes hinunterstürzte. Es geht um eine Serie von vermeintlichen Selbstmorden und um ein unheimliches Sanatorium, in das sich Federica Hardegger, die Partnerin von Detektiv Max von Wirth, für die Ermittlungen einliefern lässt. Wie bei all ihren Büchern gibt es viele mögliche Verdächtige und Spuren. Götschi versteht es, bis zum Schluss die Spannung zu halten und einen Mörder zu präsentieren, den man nicht auf dem Radar hatte.

Ihren ersten Fall lösten die beiden im Buch «Bürgenstock», in dem sich ein erfolgreicher Anwalt und Familienvater scheinbar das Leben nahm. Die Ermittlungen führten ins Luxusresort «Bürgenstock» zu einem reichen pensionierten Arzt, der Experimente mit illegal adoptierten Zwillingsbabys machte.

Lesungen mit Leiche und Theaterblut

«Bürgenstock» beginnt gleich mit einem Doppelknall in Sachen Sex: Von Wirth muss sich den Lebensunterhalt mit der Observierung von Ehebrechern verdienen, und wir sind voll dabei. Nachher geht er ins Dancing «Pilatuskeller», dort hat eine sexy Rothaarige ihren Auftritt, sieht ihn, und zack, kommt es zum Quickie auf der Toilette. Alsbald verschwindet die Schöne, und der Frauenheld von Wirth ist zum ersten Mal richtig verliebt. Erst traut ihr die Leserin nicht so recht, doch Federica wird seine Partnerin, auch geschäftlich. Sie ist hochintelligent, tätowiert, eine Superhackerin, dazu bodenständige Teilzeitbäuerin. Too much, denkt man. Ein bisschen wie die Wunderfrauen im Film «Ocean’s 8».

Dennoch liest man das Buch in einem Zug durch, es geht voran, es tun sich immer neue Handlungsstränge auf, es bleibt undurchschaubar, aber interessant. Dazu kommen die privaten Verwicklungen – Götschi versteht ihr Metier. Die Krimis sind dank vielen Dialogen einigermassen leicht zu lesen. Allerdings wünschte man sich, das Ganze wäre etwas kürzer und straffer geschrieben. Weniger wäre mehr, auch was die Zahl der Figuren angeht. Die Sprache ist nicht Götschis Haupttrumpf. Man erwartet ja nicht, dass alle Krimiautoren so elegant schreiben wie Friedrich Dürrenmatt. Aber ihr Stil geht zuweilen ins Unbeholfene und Hölzerne, und die Sprachbilder sind oft jene, die einem als Erstes in den Sinn kommen.

Immerhin: Es geht nicht so weit, dass die Sprache direkt stören würde; deutsche Leser sind vielleicht vom urigen Ton der Nidwaldnerin angetan. Und vom Lokalkolorit. Fairerweise muss man sagen, dass «Rosenlaui» besser geschrieben ist als «Bürgenstock».

In «Etzelpass» brennt am Eidgenössischen Bettag eine Kapelle in Hurden nieder, ein Mann kommt ums Leben, ein Pfarrer wird vermisst, der Pilgerweg wird zum unheimlichen Ort. Götschi schrieb «Etzelpass» in zwei Monaten, in Arbeitstagen von sieben bis neun Stunden. «Rosenlaui» war in drei Monaten fertig, im November wird schon der nächste Krimi erscheinen, «Reichenburg». Bei diesem Tempo bleibt wohl das sorgfältige Redigieren etwas auf der Strecke. Meistens weiss Götschi im Voraus, wer der Täter sein wird; aber nicht immer.

Deutsche Leser sind vielleicht vom urigen Ton der Nidwaldnerin angetan. Und vom Lokalkolorit.In ihrem Arbeitszimmer in der Villa mit Blick auf den Hallwilersee hängen diverse Kostüme und stehen zwei Schaufensterpuppen – «meine Leichen», wie sie letztes Jahr im Fernsehen erzählte. Denn ihre Lesungen sind regelrechte Inszenierungen, mit – eben – einer Leiche, Theaterblut, Polizei-Absperrbändern und einer Nebelmaschine, die ihr Ehemann Peter bedient. Einmal stolperte in einem Altersheim jemand über die Leiche.

«Ich liebe Inszenierungen», sagte Götschi in der Sendung «Lifestyle» auf Tele M1. Götschi – lange schwarze Haare und roter Lippenstift, lange Beine und Stilettos – erzählte der Moderatorin, wie sie in ihrem eleganten Wohnzimmer gerne Mottopartys veranstalte. Vor dem Fernsehbildschirm stehen zwei Liegen, hier schaue sie mit ihrem Ehemann regelmässig Krimis. Meistens schlafe sie dabei ein. Denn natürlich errät sie als Profi häufig den Täter.

Götschi arbeitete zwanzig Jahre in der Hotellerie in Davos. Mit vierzig verliebte sie sich an einer Klassenzusammenkunft im «Pilatuskeller» in Peter und zog mit den fünf Kindern zu ihm. Und begann zu schreiben. Erst publizierte sie im selbstgegründeten Verlag, bis sich vor zehn Jahren – nicht mehr erwartet – der deutsche Emons-Verlag bei ihr meldete. Seither ist sie nicht zu bremsen.