Mein Land ist zurzeit im Löwinnenfieber. Das ist nicht etwa eine besonders schlimme Variante der Affenpocken, sondern eine Mischung von Ekstase und Unglauben darüber, dass englische Ladies im Fussball gewonnen haben – nach dem end- und fruchtlosen Gefummel der Männermannschaft.

Kapitänin der Lionesses, also Löwinnen, genannten Frauenmannschaft ist die 25-jährige Leah Williamson, eine regelrechte Fussballveteranin, denn sie begann ihr Training mit sechs Jahren und wurde mit neun von Arsenal übernommen, man kann also mit Fug sagen, dass Fussball ihr Leben ist. Zu einem Zeitpunkt, da das Spiel der Männer vor allem von Arroganz und Gier zeugt (Harry Kane, Kapitän der männlichen Nationalmannschaft, verdient in einer Woche ungefähr so viel wie Williamson in einem Jahr), sind die Lionesses eine Offenbarung und ist ihre Haltung – sie wirken wie schwänzende Schülerinnen, die sich amüsieren wollen, ohne Rücksicht auf männliche Anerkennung – ebenso attraktiv wie ihr Können.

Williamson wirkt älter, als sie ist, aber sie ist nicht einfach der Boss, sondern sie macht eben auch möglich, dass die Spielerinnen ihren Spass haben. Sie sieht aus wie eine Eisprinzessin, hat das Auftreten eines tough girl und ist auffällig selbstbeherrscht. Wenn sie sagt, sie sei «ausserordentlich» patriotisch – «Ich vertrete mein Land mit Begeisterung» –, wischt sie im Handumdrehen den Selbsthass weg, der seit dem Brexit im öffentlichen Diskurs die Norm geworden ist.

Besonders woke Menschen haben den Lionesses vorgeworfen, nicht «divers» genug zu sein, dabei sind drei der Spielerinnen schwarz, und rund die Hälfte, Williamson inbegriffen, ist lesbisch. Im Gegensatz dazu hat nur ein einziger Profifussballer sich geoutet, seit 1990 Justin Fashanu sich umbrachte, nachdem er von Fussballfans verfolgt worden war.

Wir leben in einer Zeit, in der die Pornografisierung der Gesellschaft und die Dominanz der sozialen Medien eine Generation junger Frauen schaffen, die unglücklich über ihre Körper sind, was zu allem Möglichen von Selbstverletzung über Schönheitsoperationen bis Geschlechtsumwandlung führt, und in der die Populärkultur die Fragilität weiblicher Ikonen von Lady Diana bis Adele feiert. Leah und ihre Lionesses zeigen, dass ein junger Frauenkörper in erster Linie eine Quelle der Freude für seine Besitzerin sein soll und nicht ein Objekt der Begierde oder der Verachtung durch andere. Es entbehrt nicht der Ironie, dass eine 25-Jährige, die einen Ball herumkickt, so mühelos zeigen kann, was eine Frau ist, während man sonst wo in unserem Land bemüht ist, ebendieses Wort auszuradieren.

Aus dem Englischen von Thomas Bodmer