In seinem ersten Leben war er ein kommunistischer Schriftsteller, 1964 bekam Milan Kundera den Staatspreis der Tschechoslowakei. Aus der Partei war er allerdings schon 1950 ausgeschlossen worden – wie der Intellektuelle seines Romans «Der Scherz» (1967), der eine mit «Trotzki» unterschriebene Postkarte verschickt. Die tschechischen Schriftsteller brachen mit dem sozialistischen Realismus, an ihrem Kongress hielt Kundera seine berühmte Rede über «Die Literatur und die kleinen Nationen». Wie Václav Havel und Pavel Kohout war er eine Schlüsselfigur des Prager Frühlings, dessen kulturelle Blüte und Utopie eines «Sozialismus mit menschlichem Antlitz» von den sowjetischen Panzern zerstört wurde.

Ein neues Leben begann im Exil. In Paris wurde er zum französischen Staatsbürger und Schriftsteller. Ein zweites Mal rehabilitierte er den Roman, den die avantgardistischen Theoretiker für tot erklärt hatten. Dem Nouveau Roman, dessen Autoren den Kult des Schreibens pflegten und der Abbildung der Realität misstrauten, hielt er Flaubert entgegen. Als «Schriftsteller, der die Wahrheit der Existenz durchdringen wollte», bezeichnete ihn der Philosoph Alain Finkielkraut. Kunderas berühmtestes Werk bleibt «Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins», in dem er die Zerrissenheit eines Verführers zwischen zwei Frauen auslotet.

Kundera sezierte die menschliche Seele mit den Mitteln der Ironie. Nur das Werk war ihm wichtig, Biografien lehnte er ab. Er vernichtete den lebenslänglichen Briefwechsel mit seiner Frau Vera. In der Klassikerbibliothek «Pléiade» musste auf Anmerkungen und Fussnoten verzichtet werden. Seine frühen Werke schrieb er um und strich sogar Figuren – wie Stalin, der Trotzki von den Fotos wegretuschieren liess. Wohl wegen seiner schwierigen Beziehung zu den früheren Dissidenten blieb ihm der Nobelpreis verwehrt. Als Havel Paris besuchte – nun als Staatschef – wollte er ihn nicht sehen.

Noch mitten im Kalten Krieg hatte Kundera seinen Essay über «Die Tragödie Mitteleuropas» veröffentlicht: Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei gehörten kulturell zum Westen und politisch zum Osten. Die Niederschlagung der Aufstände machte ihnen bewusst, dass sie als Nation ausgelöscht werden können. In Paris stellte er fest, dass deren heroischer Kampf für die Kultur im Westen bereits verloren war. Er ging ins innere Exil.

Als Milan Kundera starb, hatte er längst vergessen, dass er ein Schriftsteller war. Seine letzten Worte sollen die eines Kindes gewesen sein. Begraben wurde er in seiner Heimat, wo zu seinem 94. Geburtstag ein ihm gewidmetes Museum eröffnet worden war. Er hatte ihm seine Bibliothek vermacht. Der Dichter ist tot, es lebe die Literatur.