Sara Rukaj: Die Antiquiertheit der Frau. Vom Verschwinden des feministischen Subjekts. Edition Tiamat. 208 S., Fr. 28.90

Selbsternannte Feministinnen sind in den Medien überproportional vertreten. Wer diese «linken Feministinnen» eigentlich sind, bleibt vage. Damit räumt Sara Rukaj auf. Die dreissigjährige Autorin führt einen «Kanon der Bösen» ein und beginnt bei Judith Butler. Völlig zu Recht, denn afghanische Frauen, die 2001 nach dem Einmarsch der USA das Ablegen ihrer Burka feierten, wurden vom Star der Queer-Szene kurzerhand «als von ihrer Stammeskultur entfremdete» und «zwangsverwestlichte Kriegsbeute» bezeichnet.

Verschleierungsmanöver

«Modest Fashion» nennen auch SRF und der WDR im Jahr 2022 Burka, Tschador und Hidschab. Dieses Butler-Geschwurbel klingt anlässlich der aktuellen Iran-Proteste in der Süddeutschen Zeitung dann so: «Einer Frau ein Kopftuch aufzuzwingen, ist genauso verwerflich, wie es ihr ausziehen zu wollen» (Dunja Ramadan). Derart kulturrelativistischer Bullshit ist omnipräsent: «Die sexuellen Übergriffe durch mehrheitlich moslemische Migranten in der Kölner Silvesternacht 2015 bewertete die Szene plump als ‹rassistischen Diskurs›» – so Rukaj. Die Realität spielte keine Rolle, denn selbst «die hundert Anzeigen und Zeugenaussagen von belästigten Frauen» wurden als islamophobes Narrativ abgetan.

Neben Islamismus-Propagandistinnen und Gender-Ideologinnen gibt es bei Rukaj noch die «Ich jammere, also bin ich»-Fraktion der Queer-Damen wie Sophie Passmann, die unterdessen von der Community selber einen Shitstorm einkassierte, oder Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski. «Wer als Migrant nicht mitjammert, sondern Aufklärung und Freiheit fordert, wird zur besonderen Zielscheibe: Er wird ‹Haustürke› oder ‹Fifi-Migrant› geschimpft von Apothekertöchtern wie Hengameh Yaghoobifarah, die sich weiter schrecklich unterprivilegiert fühlt.» Für Yaghoobifarah gehören Polizisten übrigens auf die Mülldeponie: «Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf die Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind.»

Auch Kübra Gümüsay kriegt bei Rukaj ihr Fett weg. Sie sieht deren Bücher als eine Mischung von «rührseligem Moralismus, Schmerzgesang, Milli-Görüs-Propaganda, NS-Relativierung – aber sicher keine wissenschaftliche Leistung». Rukaj entlarvt, wie diese Werke des «Echos der Larmoyanz» «Deutschland zur fleischgewordenen Hölle für Migranten jedweder Couleur» erklären.

«La femme n’existe pas», lautet der berühmte Spruch von Jacques Lacan, der die Unterdrückung der Frau in der Sprache und in der Geschichte begründet sah – einer Geschichte voller phallischer Obsessionen. Leider schliesst sich Rukaj dieser Deutung im Prostitutionskapitel an und beweist damit einen Theoriefeminismus, den sie in den Kapiteln vorher den queers vorgeworfen hat: «Wer es schafft, sich aus sich selbst zurückzuziehen und nur noch das zu spiegeln, was der Mann an naturbelassenem Herrschaftsmaterial sehen und erleben möchte, hat nebst dem Privileg des selbstbestimmten Arbeitens gute Verdienstmöglichkeiten.»

Den Untertitel, der uns verspricht, etwas über das Verschwinden des feministischen Subjekts zu erfahren, vergisst Rukaj über solch psychoanalytisch-marxistischen Theoriegebäuden. Leider. Denn das Buch liest sich streckenweise sehr amüsant, ist klug polemisch und zeigt, wie identitäre Bewegungen links und rechts letztlich Verschleierungsmanöver für Menschen ohne echtes Leben darstellen: «Je mehr einer zur Persönlichkeit im schlechtesten Sinne geworden ist, desto mehr beherrscht ihn die Angst, Erfahrungen jenseits der ihm auferlegten Schablonen zu machen.»

Was zu tun ist, darüber schweigt Rukaj, obwohl es offensichtlich ist: Wer die Demokratie gegen die Sprechakttheorien von links schützen will, muss sich mit der Digitalisierung und ihrem antidemokratischen Gestaltungspotenzial auseinandersetzen. Doch davon erzählt Rukaj überhaupt nichts. Und nun werden wir ernst: Über «Gender» lässt sich perfekt polemisieren, wir können sogar darüber lachen – doch ganz ehrlich? Sprechakttheorien, dies wissen wir spätestens seit Hannah Arendts Totalitarismusstudie, sind in ihrem kollektiven Storytelling-Potenzial nie zu unterschätzen.