Was läuft in Afrika, was ist zu erwarten, wie kann man diesen Kontinent verstehen? Der Wüstenforscher, Geologe und Geoarchäologe Stefan Kröpelin, Jahrgang 1952, arbeitete an der Forschungsstelle Afrika der Universität zu Köln, er ist Forschungsleiter zahlreicher Studienreisen in Afrika, oft in der Sahara, in Ägypten, im Sudan und im Tschad.

Weltwoche: Herr Kröpelin, Sie haben über 45 Jahre Erfahrung gesammelt auf vielen Forschungsreisen. Was sehen Sie aus dieser langen Forschungstätigkeit als wichtigste Erkenntnis über diesen Kontinent, der den meisten von uns fremd ist?

Stefan Kröpelin: Das eine Afrika gibt es nicht. Es gibt über fünfzig Staaten, viele Afrikas. Es gibt nicht einmal die eine Sahara, sondern eine Sahara, die so gross ist wie die Vereinigten Staaten von Amerika, die man unterteilen kann, die riesige Unterschiede aufweist zwischen West-, Zentral- und Ostsahara, zwischen Nordsahara und Südsahara. Mein Schwerpunkt waren die Wüstengebiete.

Weltwoche: Was taten Sie da?

Kröpelin: Ich bezeichne mich als Wüstenforscher, der sich nicht nur für alte Ablagerungen und auch nicht nur für spezielle Aspekte interessiert, sondern ich bin offen für alles, was ich finde auf diesen monatelangen Expeditionen, von denen ich ja über fünfzig absolviert habe.

Weltwoche: Welche Themen sind das vor allem?

Kröpelin: Meine ureigensten Hauptinteressen gelten dem Klima- und Umweltwandel in der grössten Trockenwüste der Erde. Die Sahara hat über die ganze Zeit ihrer Existenz einen vielfältigen Klimawandel erlebt, von extrem trocken zu ganz feucht und grün und dann wieder zur Austrocknung. Und diese Zyklen haben sich, soweit wir wissen, immer wieder wiederholt. Und das in dieser flachen Ostsahara, einem idealen Versuchslabor, das nicht gestört ist durch Einflüsse von Ozeanen oder Gebirgen.

Weltwoche: Was hat Sie daran so fasziniert, dass Sie sich über vierzig Jahre hauptberuflich mit der Thematik Klimawandel in Afrika auseinandergesetzt haben?

Kröpelin: In meinem Fall war es zunächst der Reiz des Unbekannten. Wir haben hauptsächlich in der östlichen Sahara gearbeitet, wo vorher keinerlei moderne naturwissenschaftliche oder archäologische Forschung über die Klimaänderungen während der letzten 10.000 Jahre stattgefunden hat. Auch hat es mir immer mehr Spass gemacht, in Regionen zu arbeiten und etwas wirklich Neues zu finden, wovon man noch nichts wusste, statt aus einer schon erforschten Region noch den 101. Artikel nachzuliefern. Hinzu kam diese unglaubliche Freiheit bei Geländeaufenthalten, wenn man abseits jeder Zivilisation in der Wüste lebt und Tausende Nächte im Schlafsack unter dem Sternenhimmel verbringt, jede Nacht hinguckt und Abstand bekommt zum modernen Leben.

Weltwoche: Was ist das Interessanteste, das Sie über Afrika gelernt haben?

Kröpelin: Wie gesagt, Afrika ist riesig, dreissig Millionen Quadratkilometer gross. Ich erhielt Zugang zu den Afrikanern, die von Region zu Region sehr verschieden sind, selbst innerhalb eines Landes. Viel Gastfreundschaft habe ich da erlebt. Forschungsmässig zentral waren die Ergebnisse aus der sogenannten Libyschen Wüste, also der Ostsahara, praktisch ein Subkontinent, der nach dem Ende der letzten Eiszeit grün wurde, sich von einer Extremwüste zu einer Savanne wandelte, indem als Erstes die Vegetation erschien. Dann kamen die wilden Tiere, Elefanten, Nashörner, Antilopen, Giraffen. Und ihnen folgten schliesslich die Jäger, die aus dem Süden, dem subsaharischen Afrika kamen und am neuen Ort mehrere Jahrtausende unter quasi paradiesischen Umständen lebten. Die Bevölkerungsdichte war extrem gering, ein paar kleine Stämme, verteilt auf einer der Fläche der Schweiz oder ähnlich.

Weltwoche: Ideale Lebensbedingungen also?

Kröpelin: Ja, bis dann vor ungefähr 6000 Jahren langsam eine Austrocknung einsetzte. Die Menschen mussten weiterziehen, sobald kein Regen mehr fiel und es keine Weiden mehr für ihre Tiere gab. Wie mobile Klimaanzeiger lieferten sie uns damit die Daten, so dass wir genau sagen können, zu welcher Zeit die Sahara eine Wüste oder eine Savanne oder eine Halbwüste war und so weiter. In mehreren Langzeitforschungsprojekten hatten wir die Chance, in mehreren Disziplinen zu forschen, in Botanik, Biologie, Prähistorie, und so mit der Zeit auch letzte weisse Flecken zu füllen.

Weltwoche: Wie trocken ist der afrikanische Kontinent tatsächlich? Man liest viel über Trockenzeiten, Dürren, Extremwetter.

Kröpelin: Um Afrika muss man sich keine Sorgen machen. Es gibt alles, von tropischen Regenwäldern bis zu Extremwüsten. Zum Beispiel die von uns seit fünfzig Jahren erforschte Ostsahara, die den grössten hyperariden Raum des Globus darstellt mit durchschnittlich weniger als zwei Millimetern Niederschlag pro Jahr. Dies bei einer potenziellen Verdunstung, die bis über 6000 Millimeter gehen kann. Es könnte also 3000 Mal so viel verdunsten, wie tatsächlich Niederschlag fällt. Das charakterisiert diesen grössten Trockenraum der Erde. Aber dann schauen wir in die Gebirge von Kamerun, wo 11 000 Millimeter, der zehnfache Regen von Zürich, fallen. Afrika wird von der Verteilung der Niederschläge geprägt, nicht der Temperatur.

Weltwoche: Und alles ist im Wandel?

Kröpelin: Als grobe Faustregel kann man sagen: Immer wenn die globale Temperatur höher wird, regnet es mehr und die Wüsten werden grün. Und wird es wieder kühler, nehmen die Niederschläge ab und dann breiten sich die Wüsten aus. Diese Art Puls hat sich wahrscheinlich 25 Mal wiederholt im Erdzeitalter des Quartärs, also den letzten zweieinhalb Millionen Jahren, die von Eiszeiten dominiert waren. Die Grundaussage, dass Afrika austrocknet, stimmt nicht, diese Gefahr besteht zurzeit überhaupt nicht, erst recht nicht, wenn der gegenwärtige Trend anhält.

Weltwoche: Also eine langsame Erwärmung?

Kröpelin: Ja, egal, aus welchen Gründen auch immer diese erfolgt. Das ist eher ein positives Signal für alle Wüstengebiete, vor allem natürlich für die Sahara.

Weltwoche: Wurde das Wetter in Ihrer langen Beobachtungszeit in Afrika extremer? Oder stimmen all die Berichte über extreme Wettersituationen nicht?

Kröpelin: Sie stimmen nicht. Die Extreme haben nicht zugenommen. Es gab immer starke Niederschlagsereignisse, immer Trockenperioden, gerade in den Wüstenrändern, also in der Sahelzone südlich der Sahara. Nach ein paar Jahren extremer Trockenheit hat es nun wieder mehr geregnet. Der Tschadsee etwa, das grösste Seengebiet südlich der Sahara, müsste nach den Vorhersagen schon längst ausgetrocknet sein, aber das Gegenteil ist eingetreten, der Tschadsee wird immer grösser.

Weltwoche: Aber man hört doch auch von der Ausdehnung der Wüste.

Kröpelin: Wenn es zu einer Verwüstung kommt, zur sogenannten Desertifikation, dann primär in den Gebieten mit einer Übernutzung durch die Menschen. Wenn die Bevölkerung, wie beispielsweise in Darfur, sich verfünffacht hat in den letzten fünfzig Jahren, wenn es entsprechend mehr Ziegen gibt, mehr Brennholzentnahme und die ganzen Auswirkungen der Überweidung, dann kommt rasch die Aussage: Oh, die Wüsten wachsen.

Weltwoche: Aber nur wegen der menschengemachten Übernutzung?

Kröpelin: Genau. In den Gebieten dagegen, in denen ich gearbeitet habe, weit abgelegen, Hunderte Kilometer vom nächsten Dörfchen entfernt, sieht man, dass die Niederschläge zunehmen. Natürlich nicht überall, nicht überall gleichzeitig, aber es ist ein Trend, der sich in der gesamten Sahara zeigt. Die ersten Beobachtungen dieser Art habe ich 1988 gemacht, als in der nordsudanesischen Wüste innerhalb weniger Tage der mehrfache Jahresniederschlag fiel. Weite Flächen dieser Wüste, wie wir sie kannten, wurden zur Kamelweide oder zu zwei Meter hohen Hirsefeldern, es war alles bewachsen, Tiere kamen zurück, Gazellen, Strausse, Mäuse und alle möglichen anderen. Bäume keimten und wuchsen. Das war das erste Mal, dass ich dachte: Da tut sich jetzt etwas. Das ist ein positives Signal einer möglichen anhaltenden Erwärmung.

Weltwoche: Sie sagen, die Zunahme der Durchschnittstemperatur sei gut für Afrika?

Kröpelin: Absolut. Deswegen wurde ich auch häufig angegriffen, man warf mir eine Verniedlichung der Probleme vor. Aber es ist einfach eine Tatsache.

Weltwoche: Eine Verniedlichung des CO2-Problems?

Kröpelin: Man macht heute in der Klimadiskussion absurdeste Annahmen. Man denke nur an das CO2, also ein Spurengas, eines von über 200 Gasen in der Luft, das lediglich 0,04 Prozent des Volumens ausmacht. Davon sind 97 Prozent natürlichen Ursprungs. Und von den restlichen 3 Prozent des menschlich verursachten Anteils gehen zum Beispiel nur 2 Prozent aufs Konto von Deutschland und der Schweiz zusammen. Es sind minimale Mengen und Veränderungen. Deswegen glaube ich bis heute nicht an diese ganze CO2-Hypothese.

Weltwoche: Sie sehen in der steigenden CO2-Konzentration nicht die Ursache der Klimaerwärmung?

Kröpelin: Es ist ja nicht bewiesen. Und schon Einstein hat vor hundert Jahren diese These von der Wirkung von CO2 zurückgewiesen. Aber sie hat sich eben so durchgesetzt.

Weltwoche: Als eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehung?

Kröpelin: Ich glaube, der CO2-Anstieg ist vielmehr die Folge einer Erwärmung und nicht die Ursache. Wie ist die Sahara grün geworden vor 11.000 Jahren? Da gab es keine Menschen, keine Industrie. Die Weltbevölkerung war minimal. Deswegen kann das nicht der Antrieb gewesen sein. Aber die Behauptung mit CO2 als Ursache ist jetzt ein riesiges Geschäftsmodell geworden und ein Thema für alle möglichen Zwecke. Und eine Besteuerung der Luft.

Weltwoche: Was ist aus Ihrer Sicht das grösste Problem von Afrika?

Kröpelin: Afrika hat riesige Potenziale, schon allein von den Rohstoffen her, auch von den bewohnbaren Gebieten her, die den Grossteil ausserhalb der Sahara einnehmen. Der Kontinent ist gross genug, um die sich in den nächsten dreissig Jahren wahrscheinlich verdoppelnde Anzahl Menschen aufzunehmen, aber das ist eine grosse Herausforderung.

Weltwoche: Und kann man von aussen Unterstützung leisten?

Kröpelin: Am besten ist es, der extrem wachsenden afrikanischen Bevölkerung mit den Megacitys, die ja bald die grössten Städte der Welt sein werden, vor Ort zu helfen, um diesen Bevölkerungsanstieg irgendwie in den Griff zu bekommen. Das Potenzial ist wie gesagt gross, zwei Drittel Afrikas sind ja sehr gut nutzbar, in jeder Hinsicht. Und vielleicht kommt jetzt noch mehr dazu, wenn der Erwärmungstrend mit höheren Niederschlägen anhält.

Weltwoche: Laut Uno-Projektionen kann Nigeria in ein paar Jahrzehnten das zweitbevölkerungsstärkste Land der Welt sein nach Indien. Ist das zu bewältigen?

Kröpelin: Es muss nicht gerade zu diesen explosiven Zahlen kommen, denn häufig wird mit zunehmendem Wohlstand das Bevölkerungswachstum langsamer. Wie in Europa vor hundert Jahren.

Weltwoche: Aber auch so warnen viele Experten davor, dass der Klimawandel schnell wachsende Menschengruppen zur Migration in den Norden drängen wird.

Kröpelin: Die Argumentation, dass wegen einer Erwärmung um ein, zwei Grad eine grosse Völkerwanderung einsetze und die Leute ihre Wohngebiete verlassen würden, ist völlig abwegig. Wenn es im Jahresmittel schon dreissig Grad heiss ist wie etwa in Burkina Faso, dem wärmsten Land der Erde — die Schweiz liegt mit sechseinhalb Grad an 206. Stelle –, und noch ein, zwei Grad dazukommen, dann merkt das kaum jemand. Das ist kein Grund, sich auf den Weg zu machen.

Weltwoche: Aber heute wandern sie ja schon.

Kröpelin: Ganz andere Motivationen spielen die entscheidende Rolle, hauptsächlich wirtschaftliche. Aber wenn man es in Afrika schafft, durch moderne, angepasste Technologien die Verhältnisse zu verbessern, bleibt es stabil. Die Herausforderungen sind gewaltig, wenn man bedenkt, dass in Ägypten die Einwohnerzahl in ein paar Jahrzehnten von rund zwanzig Millionen auf gegen hundert Millionen gestiegen ist, und das auf dem kleinen bewohnbaren Teil Niltal, Nildelta und Küsten, kaum 7 Prozent der Landesfläche.

Weltwoche: Man beobachtet, dass die Verbindungen zwischen China und Afrika vielerorts stärker werden. Es gibt den Afrika-China-Gipfel, an dem fünfzig der 54 afrikanischen Staaten teilnehmen. Welche Rolle spielt diese Zuneigung zu China in Afrika im Spiel der Grossmächte, im Spannungsfeld zwischen Westen und Osten?

Kröpelin: Das ist ein grosses Thema. Tatsache ist, dass es China in vieler Hinsicht gelungen ist, Afrika praktisch an sich zu ziehen. Das wurde ermöglicht durch die Dummheit und die falsche Politik Europas und der USA.

Weltwoche: Wie konkret?

Kröpelin: Ich kenne Beispiele aus dem Sudan, wo ich seit Anfang der 1980er Jahre jedes Jahr viel unterwegs war. Da war beispielsweise die deutsche Industrie der absolute Favorit für sämtliche Infrastrukturprojekte, ob das Staudämme, Hochspannungsleitungen oder Strassen betraf. Dann wurde der Sudan von den USA als Ablenkung vom Irak-Krieg zum Schurkenstaat erklärt wegen angeblicher Völkermorde mit Hunderttausenden Toten in Darfur, die aber nie stattgefunden haben. Wenn einer dies gesehen hätte, dann ich, weil ich ja jedes Jahr durch diese Gebiete gefahren bin. Nein, das waren die üblichen Stammesauseinandersetzungen und sonstigen Streitereien, aber niemals gab es wie behauptet Massenmorde.

Weltwoche: Aber die Einstufung als Schurkenstaat veränderte dann die Rahmenbedingungen?

Kröpelin: Ja, dadurch konnten die deutschen Firmen im Sudan ihre Projekte nicht mehr betreuen, die ihnen da lange Zeit auf dem Silbertablett serviert worden waren. Denn sonst hätten die Amerikaner gesagt: Wenn ihr Geschäfte im Sudan macht, beschlagnahmen wir eure Firmen in den USA. Für die Deutschen war der Entscheid dann klar, denn natürlich verdienten sie in den USA mehr als in einem afrikanischen Land.

Weltwoche: So kam China zu grossem Einfluss?

Kröpelin: Dies ist der Fall, obwohl ja die Chinesen in afrikanischen Staaten allgemein nicht allzu beliebt sind. Wenn die chinesischen Unternehmen da in einem Land ankommen, arbeiten sie unheimlich schnell, sie wohnen in einer Art Ghettos und verschwinden anschliessend wieder. Das steht in deutlichem Kontrast zur Vorgehensweise von Ländern wie Deutschland oder der Schweiz, die hervorragende Arbeit geleistet haben, etwa im Sudan oder im Tschad. Sie waren hochangesehen, auch weil die Deutschen wenig und die Schweizer keine koloniale Vergangenheit mit sich bringen, ganz im Gegensatz zu den Engländern und den Franzosen.

Weltwoche: Würden Sie auch sagen, dass dieser Einfluss von China eher Chancen als Risiken bringt, ist diese Entwicklung für die afrikanischen Länder viel besser, als sie oft dargestellt wird?

Kröpelin: Absolut. Dass man immer sagt: Oh, Achtung, jetzt übernehmen die Chinesen ganz Afrika, das ist abwegig. Wenn schon, ist es die Schuld des Westens, dass China so Fuss fassen kann. Und die Chinesen sind wirkungsvoll.

Weltwoche: Wie, wirtschaftlich, militärisch?

Kröpelin: Es ist typisch für diese Beziehungen, dass sich die Chinesen nicht militärisch einmischen. Natürlich kann es sein, dass auch mal eine chinesische Waffe in Afrika landet. Aber im Vergleich zu dem, was früher vor allem aus den USA und Frankreich auf afrikanische Länder einwirkte, ist das verschwindend wenig. Die Chinesen konzentrieren sich auf wirtschaftlichen Tausch. Tausch ihrer Leistungen gegen Erdöl und andere Rohstoffe. Dafür bauen sie innerhalb von wenigen Monaten Staudämme, Brücken, Hochspannungsleitungen und Infrastruktur, wofür westliche Firmen wohl Jahre brauchten oder überhaupt nie damit fertig würden. So überlässt der Westen den afrikanischen Kontinent China.

Weltwoche: Welches ist für Sie das interessanteste, vorbildlichste Land, die Perle Afrikas?

Kröpelin: Das ist eine heikle Frage, die darf man heute politisch korrekt gesehen gar nicht mehr beantworten. Früher galt ja Uganda als die Perle Afrikas. Churchill hat das Land als Paradies bezeichnet, um 1900 herum gab es eine kleine Bevölkerung, das Essen ist einem quasi in den Mund gewachsen. Manche sagten, daher stamme die Vorstellung vom Paradies, man brauchte keine Kleider. Aber damals hatte Uganda eine Million Einwohner, heute sind es fünfzig Millionen.

Weltwoche: Und aus Ihrer Sicht?

Kröpelin: Eines meiner liebsten Länder, rein subjektiv, ist der Nordsudan, besonders von den Menschen her, die sehr gastfreundlich und friedlich sind. Aber ich mag auch alle anderen. Natürlich kommt man da in den Clinch mit den Diskussionen um Rassismus.

Weltwoche: Wie?

Kröpelin: Im Grunde gibt es kaum einen Kontinent mit grösserem Rassismus als Afrika, wo ja nicht nur die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern, sondern auch zwischen Stämmen, ja zwischen Clans sehr wichtig sind. So wurde zum Beispiel früher ein Senegalese in Kenia sehr herablassend behandelt, Sudanesen in Ägypten auch, das habe ich immer wieder erlebt. Es gibt verbreiteten Rassismus, etwa in Namibia von den Herero den Himba gegenüber, über den man jedoch nicht redet. So kommt es oft vor, dass eine Ethnie die Vormacht hat, selbst wenn es nur eine winzige Minderheit ist.

Weltwoche: Was ist das grösste Missverständnis im Westen gegenüber Afrika?

Kröpelin: Es gibt etliche Punkte, aber wie gesagt, der wichtigste ist, dass es Afrika als solches gar nicht gibt. Und deshalb ist dann auch eine Pro-forma-Entwicklungshilfe aus dem Westen verfehlt, die, überspitzt gesagt, Fahrradwege anlegt, Gender-Regeln einführen will und all diese woken Geschichten, die keinen Menschen interessieren. Versucht man in Ländern, wo Homosexualität noch das absolute Tabu ist, Änderungen einzubringen, werden 99 Prozent der Bevölkerung nicht mitspielen.

Weltwoche: Lieber Tausch auf Augenhöhe?

Kröpelin: Europa sollte anstreben, was im Rahmen des Wirtschaftssystems möglich ist, Hilfe im Austausch auch gegen Rohstoffe. Ohne sich sonst zu viel einzumischen. Ähnlich wie es die Chinesen jetzt machen, nur noch etwas klüger, die Europäer sind ja Afrika viel näher. Nehmen wir die Kooperation im Nordtschad, wo die Mitarbeiter der Coopération Suisse besonders beliebt waren. Da haben mal Rebellen, Banditen deren Fahrzeuge genommen, eine Kalaschnikow reicht dafür. Dann haben die Einheimischen gesagt: Moment, das könnt ihr nicht machen, das sind doch die Schweizer, die machen so tolle Sachen. Am nächsten Tag waren die Fahrzeuge wieder da.

Weltwoche: Wohin geht die Reise Afrikas in diesem Karneval der Grossmächte mit China, Russland, Amerika, Europa, dann noch Indien?

Kröpelin: Ich bin kein Hellseher. Afrika hat natürlich riesige Probleme, verursacht durch die Grösse, durch die Rivalitäten zwischen den verschiedenen Ländern, Ethnien, Stämmen, bis eben zu den Clans. Aber wenn wichtige Probleme halbwegs in den Griff gekriegt werden können, ist viel gewonnen. Wenn die Ausbildung zunimmt, die Infrastruktur wächst und das Gesundheitswesen so weit kommt, dass Kinder nicht mehr an lächerlichen Krankheiten sterben, die man mit fünf Euro beheben kann, wenn sauberes Wasser breit verfügbar wird.

Weltwoche: Und die Technologie?

Kröpelin: Klar, Solarpanels ermöglichen es, dass viele erstmals Strom haben und nicht immer bei Sonnenuntergang schlafen gehen müssen, das ist gut machbar. Und jetzt gibt es eine Kommunikation, wie man es in der Menschheitsgeschichte noch nie gesehen hat. Früher waren die Leute in den ländlichen Regionen weitgehend vom Geschehen in den Hauptstädten und der ganzen Welt abgeschnitten. Jetzt läuft alles übers Handy und die Netze mit fast kostenloser Kommunikation. Eine solche Revolution hat man sich selbst in futuristischsten Träumen nicht vorstellen können, als ich Anfang der 1990er auf internationalen Tagungen war und diskutiert wurde, wie man Afrika helfen, Ausbildung und Forschung verbessern könnte. Ist in der Sahara heute einer mit seinen Kamelen unterwegs und hat ein Problem, ruft er an und sagt: «Hallo, ich bin da hinter dem Dschebel, kannst du mir mal Wasser bringen?» Das war früher unvorstellbar.

Weltwoche: Was wünschen Sie sich persönlich für Afrika?

Kröpelin: (Lacht) Also ich persönlich wünsche mir nicht, dass die Sahara wieder grün wird, denn dann verliere ich mein Arbeitsgebiet und dieses «paradise of fools», in dem man forschen kann, unentdeckte Orte hat, nur alle paar Monate vielleicht mal einen Menschen trifft. Dieser Garten Gottes, der die Sahara ist, ein Drittel Afrikas …

Weltwoche: … ändert sich, wenn der Klimawandel anhält?

Kröpelin: Ja, der Klimawandel hat immer Gewinner und Verlierer, aber generell sind natürlich Warmzeiten und Erwärmung unvergleichlich besser als Kaltzeiten. Ich wünsche jedem Afrikaner, sein Auskommen zu haben. Sie müssen nicht reich werden, aber vor allem sollten nicht alle in diesen gigantischen Megacitys von zig Millionen leben müssen, sondern von einer dezentraleren Entwicklung profitieren können. Es ist eine unglaubliche Herausforderung, das Zusammenleben im Moloch der Megacitys mit Kriminalität, Alkoholismus und anderem in den Griff zu bekommen, damit der Lebensstandard steigt und sich die Bevölkerungszahl stabilisiert. Aber in Indien hat es ja auch irgendwie geklappt, da geht es stark aufwärts. In China hat es auch geklappt, warum nicht in Afrika?

Das ausführliche Video-Interview finden Sie auf www.weltwoche.ch