Bis 2024 meinten viele, die Schweizer Klimapolitik sei gut und führend mit Blick auf die Reduktion der CO2-Emissionen. Das war damals nicht zutreffend. Der Weg zum grossen Erfolg wurde erst durch zweierlei ermöglicht: Zum einen wirkte im April 2024 das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Klage der «Klimaseniorinnen» als heilender Schock. Entgegen ersten Interpretationen war es kein Aufruf zu schärferer Klimapolitik, sondern eine Bankrotterklärung der bisherigen Klimapolitik. Denn das Gericht urteilte nicht, eine schärfere Klimapolitik sei sinnvoll. Dafür wären die Richter als Juristen ja völlig inkompetent gewesen.

Vielmehr stellte das Gericht fest, dass erstens die Schweiz und damit fast alle europäischen Länder die von ihren Regierungen und Parlamenten im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziele nicht erreicht haben – was zweitens nach den Worten ebendieser Regierungen und Parlamente und den von ihnen nachgebeteten Politikempfehlungen der Weltklimaberichte (die nicht viel mit deren wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun hatten) ja grosse Schäden an Mensch und Umwelt hätte verursachen können. Das Gerichtsurteil war deshalb das juristisch konsequente Spiegelbild der abstrusen Politikziele und -versprechen. Insbesondere auch des 1,5-Grad-Ziels, das von allem Anfang aufgrund der seit Messbeginn bis 2020 erfolgten Erwärmung um 1,1 Grad sowie der grossen Trägheit der Erwärmungsprozesse niemals erreichbar war. So sagte der Richtspruch den Regierungen im Klartext: «Macht das Unmögliche möglich, oder vergesst das Unmögliche und setzt Euch gefälligst vernünftige Ziele.»

 

Schnell übernahm die Welt das Modell

Zum andern setzte sich ab 2024 eine weniger regierungsdienliche Beurteilung der Schweizer «Politik-Erfolge» durch. Zwar war die Abnahme der CO2-Emissionen bei gleichzeitig explodierender Bevölkerungszahl beeindruckend. Aber diese Politik war enorm teuer und nur dank dem Reichtum der Schweiz und den sonst guten Bedingungen – etwa Wasserkraft und Speicherseen – bezahlbar. Das hatte zwei Missverständnisse genährt: Oft sah die Politik besser aus, als sie tatsächlich war, weil man nur auf die Nutzen schaute und die hohen Kosten vernachlässigte; zudem war diese Politik zum Scheitern verurteilt, denn was die Schweiz unter grossen Entbehrungen stemmen konnte, konnte sich sonst kaum jemand leisten. Damit war die Schweizer Politik nicht im Geringsten vorbildlich.

Das wurde sie erst dank einer Volksinitiative: Noch in den 2020er Jahren kündete die Schweiz das Pariser Abkommen und setzte im Alleingang auf Kostenwahrheit. Allen wurden die von ihnen verursachten Schäden über eine allgemeine CO2-Abgabe anteilig angelastet. Weil so die Anreize richtig gesetzt waren, wurden viele Regulierungen und Subventionen für Alternativenergien aufgehoben, und mit dem Abgabenaufkommen wurde die Mehrwertsteuer gesenkt. Natürlich wehrten sich zuerst viele Firmen und Branchen gegen diese Politik und behaupteten, dass sie die Kosten nicht tragen könnten und abwandern würden. Es zeigte sich aber schnell, dass das alles nur dummes Zeug war. Denn die Klimapolitik war ja dann für die gesamte Wirtschaft und Bevölkerung viel billiger.

Damit wurde klar, dass die von vielen Ökonomen empfohlenen Klimaklubs – Zusammenschlüsse von Ländern mit teurer Klimapolitik und Strafzöllen für Nichtmitglieder – unnötig waren, weil es sich für jedes einzelne Land lohnte, im Alleingang die bisherige unsinnige Politik durch die sinnige Kostenwahrheit zu ersetzen. Entsprechend übernahmen schnell Deutschland, dann die EU und bald die ganze Welt das Schweizer Modell – das so das Weltklima und den Wohlstand der Menschheit rettete.

 

Reiner Eichenberger ist ist Professor für Theorie der -Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität -Fribourg und Forschungsdirektor des CREMA.