Es tönt abwegig: Aber in sonnigen Stunden bezahlen die Stromproduzenten den Abnehmern immer öfter eine «Entsorgungsgebühr» für Strom. Wenn immer mehr Solarzellen auf Dächern und Fassaden montiert werden, fallen im Sommer in gewissen Stunden enorme Überschüsse an. Auch die Nachbarstaaten wissen in solchen Phasen nicht wohin mit dem vielen Strom. Weil es keine Abnehmer gibt, wird einem an der Börse der Strom «nachgeworfen»: Man erhält sogar noch Geld. Das war 2024 in der Schweiz während 292 Stunden der Fall – ein Rekord.

Werden die Ziele des Energiegesetzes erreicht, könnte die Produktion im Sommerhalbjahr den Verbrauch um fünfzehn Terawattstunden (TWh) übersteigen. Zum Vergleich: Der Verbrauch im Sommerhalbjahr liegt derzeit bei dreissig TWh. Während die Schweiz also im Sommer einen massiven Überschuss haben wird, hat sie im Winter ein Defizit. Die Frage lautet somit: Lassen sich fünfzehn TWh Sommerstrom ins Winterhalbjahr retten? Da fallen einem spontan drei Möglichkeiten ein: Pumpspeicherkraftwerke, Batterien oder Wasserstoff. Doch wie realistisch sind diese?

 

Zauberwort «Wasserstoff»

In einem Pumpspeicherkraftwerk wird mit Hilfe von überschüssigem Strom Wasser von einem tiefer in einen höher gelegenen See gepumpt. Im Winter würde man das hochgepumpte Wasser wieder in den unteren See ablassen. Das Wasser treibt dabei Turbinen an, die Strom erzeugen.

Das neuste Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance im Wallis hat 2,1 Milliarden Franken gekostet. Man müsste laut unserer Schätzung 600 Nant de Drance bauen, um den Sommerüberschuss zu speichern. Dies würde 1260 Milliarden Franken kosten – also das Anderthalbfache der Schweizer Wirtschaftsleistung.

Pumpspeicherkraftwerke spielen in der neuen Energiewelt zwar eine wichtige Rolle: Sie können billigen Überschussstrom speichern und nachts oder morgens wieder abgeben, wenn die Sonne (noch) nicht scheint. Für eine saisonale Speicherung sind sie jedoch völlig ungeeignet, wie die vorherige Überschlagsrechnung gezeigt hat.

Fällt das Wort «Überschussstrom», denkt man rasch an Batterien. Schliesslich hat jeder zu Hause Batterien für die Taschenlampe oder für Spielzeug. Tesla-Megapacks sind Batterien, die so gross sind wie ein Schiffscontainer. Ein Megapack speichert 3,9 Megawattstunden Strom. Man müsste in der Schweiz also 3,85 Millionen dieser Megapacks laden, um den Überschussstrom vom Sommer zu speichern.

Ein Megapack kostet eine Million Franken. Damit würden sich die Anschaffungskosten auf enorme 3,85 Billionen Franken belaufen. Und die Fläche, um all diese Megapacks aufzustellen, wäre so gross wie der Kanton Solothurn. Batteriespeicher sind für eine Saisonspeicherung somit wie Pumpspeicher völlig ungeeignet. Sie taugen nur für einen kurzfristigen Ausgleich und können helfen, das Netz stabil zu halten.

Wenn Pumpspeicherkraftwerke und Batterien nicht in Frage kommen: Wie wäre es mit der Produktion von Wasserstoff? Die Idee klingt gut: Man nimmt den überschüssigen Solarstrom, betreibt damit einen Elektrolyseur, der Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet. Im Winter können mit dem ökologisch hergestellten Wasserstoff Gasturbinen angetrieben werden. Es entsteht knapper Winterstrom.

Investitionen in die Herstellung von Wasserstoff sind jedoch ein kostspieliges Unterfangen. Um fünfzehn TWh Sonnenstrom während zum Beispiel tausend Sonnenstunden zu verarbeiten, braucht es Kapazitäten der Elektrolyseure von 15 000 Megawatt. Die Investitionskosten inklusive Ingenieurleistungen sowie Versicherungen belaufen sich laut der Beratungsfirma KPMG auf 2000 Franken pro Kilowatt Leistung, was dreissig Milliarden Franken entspräche.

 

Teurer als ein grosses Kernkraftwerk

In einem zweiten Schritt müsste man den produzierten Wasserstoff speichern. Die Schweiz müsste dafür in verkleidete Felskavernen (lined rock caverns) investieren. Das könnte – die Schätzungen variieren enorm – 4 bis 37 Milliarden Franken kosten. Zu guter Letzt braucht es noch Gaskraftwerke, um aus dem Wasserstoff wieder Strom zu machen.

Die Investitionskosten für den «Hoffnungsträger» Wasserstoff dürften sich somit auf 38 bis 71 Milliarden belaufen. Zum Vergleich: Der Bau des teuersten Kernkraftwerks der Welt in Flamanville (Frankreich) kostete 22 Milliarden Franken, inklusive Endlagerkosten sind es 32 Milliarden. Ein solches KKW würde dann während mindestens sechzig Jahren rund dreizehn TWh Strom pro Jahr produzieren. Die Berechnungen zeigen, dass es derzeit keine bezahlbare Möglichkeit gibt, Sommerstrom in riesigen Mengen in den Winter zu verschieben.

Das Winterstromdefizit mildern könnten riesige Wärmespeicher, wie sie Dänemark einsetzt. Typischerweise wird dabei mit Sonnenkollektoren ein grosses, bedecktes Wasserbecken auf 90 Grad erwärmt, mit dem im Winter die Wohnungen geheizt werden.

Damit hat man aber den überschüssigen Solarstrom noch nicht verwendet. Eine Wärmespeicherung wäre laut Experten zwar auch mit Sommerstrom möglich, doch fehlt die Erfahrung damit. In jedem Fall sind solche Lösungen nur mit einem Fernwärmenetz sinnvoll. Solche Netze decken in der Schweiz jedoch erst einen sehr kleinen Teil des Wärmebedarfs.

Kann der Strom nicht für den Winter gespeichert werden, gibt es ein Problem: Wird Strom ins Netz eingespeist, ohne dass eine entsprechende Nachfrage besteht, drohen Netzüberlastungen. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Massnahmen Abhilfe schaffen könnten. Fünf Massnahmen stehen im Vordergrund.

_ Erstens kann das Problem über flexible Stromtarife gemildert werden. Strom soll dann verbraucht werden, wenn er im Überfluss vorhanden ist, und Solaranlagenbesitzer müssten möglichst dann einspeisen, wenn der Strom knapp ist. In der Schweiz haben Verbraucher jedoch kaum Anreize, auf Preissignale zu reagieren, da sie zu einem im Vorjahr festgelegten Preis beliefert werden. In Deutschland hat sich gezeigt, dass die Kunden einen Vorteil von mindestens hundert Euro haben müssen, damit sie sich auf dynamische Preise einlassen.

_ Zweitens kann man das Netz massiv ausbauen, um drohenden Netzüberlastungen entgegenzuwirken. Das wäre allerdings sehr teuer. Problematisch ist, dass Solarstromproduzenten bisher keine Rücksicht darauf nehmen mussten, ob ihre Anlage gut ins Netz integriert werden kann oder nicht. Erschliessungskosten werden einfach auf alle Verbraucher umgelegt.

_ Drittens könnten, ähnlich wie bei dynamischen Stromtarifen, auch die Entgelte für das Netz für eine gleichmässigere Auslastung sorgen. In Australien führte der Netzbetreiber Ausgrid ein Modell ein, bei dem die Einspeisung zwischen 10 und 15 Uhr mit einer Strafe belegt wird, während Einspeisungen aus Batterien zwischen 16 und 21 Uhr belohnt werden. Heute ist es dagegen so, dass ein Eigenheimbesitzer seinen Speicher typischerweise an einem sonnigen Morgen füllt. Am Nachmittag, wenn der Speicher voll ist, wird ins öffentliche Netz eingespeist, was dieses enorm belastet.

Um neue Tarifmodelle umzusetzen, sind jedoch «Smart Meter» notwendig. Bis 2027 sollten 80 Prozent der Schweizer Haushalte damit ausgestattet werden. 2023 lag der Anteil bei 26 Prozent. Erst dann können Speicher, Wärmepumpen und das Laden von E-Autos so gesteuert werden, dass man Engpässe im Netz reduzieren kann.

 

Anpassung der Förderung

_ Viertens zeigt die Zunahme der Stunden mit negativen Preisen, dass die Förderung der Erneuerbaren geändert werden sollte. Aus ökonomischer Warte am besten wäre eine konsequente CO2-Bepreisung, womit kohlenstofffreie Energiequellen einen Wettbewerbsvorteil hätten. Doch CO2-Abgaben stossen bekanntlich auf Widerstand.

Deshalb unterstützen die meisten Länder den Ausbau erneuerbarer Energien. Diese Förderinstrumente müssen aber zumindest so ausgestaltet sein, dass die Betreiber von Solaranlagen ein Interesse daran haben, dann Strom ins Netz einzuspeisen, wenn er auch gebraucht wird und somit etwas wert ist – also zum Beispiel im Winter.

Zudem ist grundsätzlich zu hinterfragen, inwieweit die Subventionierung von kleineren Dach- und Fassadenanlagen (die stark zur Stromschwemme im Sommer beitragen) noch sinnvoll ist, wenn zum einen der Wert des Stroms in vielen Stunden negativ wird und zum anderen die Mitnahmeeffekte bei 50 Prozent liegen. Die Hälfte der Anlagen wäre also auch ohne staatliche Subvention gebaut worden.

_ Die fünfte und letzte Massnahme ist bei Solaranlagenbesitzern unbeliebt, entlastet das Netz jedoch deutlich: Das Gesetz erlaubt es den Stromversorgern, die Solarproduktion zu beschränken. Wird die Einspeisung etwa auf 70 Prozent der Maximalleistung limitiert, läge der Ertragsverlust bei nur 3 Prozent. Gleichzeitig würde man so Netzüberlastungen vorbeugen.

Der Solarboom bringt also Probleme mit sich, denn wie schon Paracelsus sagte: «Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.» Das Ziel der Energiepolitik lautet, dass Strom ganzjährig sicher verfügbar, bezahlbar und CO2-frei ist. Doch unser Beitrag illustriert: Der einseitige Fokus auf Solarstrom fördert die Versorgungssicherheit im Winter nur bedingt und gefährdet gleichzeitig die Bezahlbarkeit.

 

Christoph Eisenring ist Senior Fellow und Leiter «Programme & Forschung» beim Think-Tank Avenir Suisse. Simon Stocker ist Senior Researcher daselbst.