Songs & Gschichtä: Sina, Bänz Friedli und Ralf Schlatter live. Bis Ende September. Auftritte: sina.ch

Es hätte auch ein Krampf werden können, die gefühlvolle Sängerin zwischen zwei Wort drechsler einzuspannen – doch der sparsam inszenierte «Songs & Gschichtä»-Abend ist allerliebst unaufgeregt, so dass man bedauert, wenn er nach zweieinhalb Stunden vorbei ist.

Am Anfang steht ein einfühlsames Medley aus bekannten Songs zum Thema Zeit von Abba, Bob Dylan und Tom Waits – schliesslich war die Corona-CD «Ziitsammläri» der Walliser Sängerin Auslöser für die Tour zu viert: Sina, Bänz Friedli und Ralf Schlatter stehen und schmettern Gassenhauer mit arms wide open. Am Bühnenrand sitzt Patricia Draeger mit ihrem Akkordeon, dem sie mal hauchend-zarte, dann laut-schrille Begleittöne entlockt, ohne dem ungleichen Trio je die Show zu stehlen.Herzerwärmend, witzig, selbstironisch und unprätentiös sind die Lieder und Geschichten, die das Ensemble locker zu einem bunten Flickenteppich knüpft. Roter Faden ist dabei die vergehende Zeit. «The times, they are a-changing» – damit befasste sich die während der Pandemie ausgebremste Sina. Sie war in ihren Wohnsitz am Hallwilersee zurückgebunden, denn sie «hatte Angst um meine Stimme». Was Bänz Friedli eher bewundernd erwähnenswert fand: «Grosse Popstars können sich so einen Wohnsitz leisten», witzelte der Berner Wahlzürcher.

Die Walliserin Sina, die einst als Schlagersängerin begann, ist besser denn je.

Gefühl des Sichverliebens

Friedli, als Alleinunterhalter mit Kleinkunst-Meriten ausgezeichnet (mit dem Salzburger Stier 2015 und jüngst mit dem Schweizer Kabarett-Preis Cornichon), war seine Bewunderung für Sina den ganzen Abend lang anzumerken. Er lobte sie als begnadete Storytellerin und einfühlsame Leaderin. Mal als «Ursula und die Glückspilze», dann als «Frau Bellwald und die Pfarrerssöhne» bezeichnete er das oft auch in braunen Sofas lümmelnde und kalauernde Trio. Womit klar ist, wer Chefin ist und gleich noch gesagt, wie Sina bürgerlich heisst.

Der stets ausverkaufte Lieder- und Geschichtenreigen schlägt zwischen Blues, Poesie und Slam-Rap immer wieder überraschende Haken. So lacht man über die Fan-Story von Ralf Schlatter, der beim Zmorge im Hotel die gebrauchte Kaffeetasse seines Idols Heather Nova mitgehen lässt. Dann ertappt man sich mit Tränen in den Augen, wenn Sina ihre anrührende Geschichte über Oma «Emma» singt oder Schlatter eine Hollywood-like Kussszene bei der Verabschiedung am Zug auf ihre dramatische Spitze treibt. Und bald schmunzelt man über sich selber, wenn man Friedlis Abenteuer einer über fast einen Monat immer wieder verschobenen Verabredung zu einem Feierabendbier lauscht, weil man, statt einmal kurz zu telefonieren, sich lieber hundertmal via verschiedene Social-Media-Kanäle austauscht und aneinander vorbeiredet.

Alles kommt dermassen locker und manchmal auch improvisiert daher, dass es ergreift und Freude macht. Sinas Kunstmotto stammt bekanntlich von Marianne Faithfull: «Die Kunst des Künstlers ist es, alles leicht aussehen zu lassen.» Dabei weiss man, was dahintersteckt: viel Arbeit.

Tatsächlich ist die Walliserin, die einst als Schlagersängerin begann und im Rückblick auf ihr dreissigjähriges Bühnenjubiläum glatt die erste Dekade auslässt, besser denn je. Sie steht zu Recht im Mittelpunkt des Abends und lockt wohl auch die meisten Zuschauer an. Im kürzlich erschienenen Buch «Sina – sich treu werden» sagt Patent-Ochsner-Sänger Büne Huber: «Es gab ein tiefes Gefühl des Sichverliebens, als wir zusammen sangen.» Radiomann Markus Wicker, der sie über Jahrzehnte mit Interviews begleitete, erklärt: «Bei Sina bekommen alle Beisshemmung: Sie kann toll erzählen, immer auf überraschende Pointen hin, und das mit viel Humor.»

Sina selber bleibt wie stets bescheiden, sie macht ihren sidemen Komplimente, Friedli, der auch singt, und Schlatter, der auch rappt: «Mit Bänz und Ralf fühle ich mich wunderbar, denn ich bin gerne mit Menschen, die besser sind als ich. Nur so komme ich weiter, wir lernen gegenseitig voneinander.» Fazit dieser «Songs & Gschichtä»: Unsere Zeit bleibt stehen – wunderschön und einen wunderbaren Abend lang.