Kein Zweifel, sie sind eine gut funktionierende Lobbygruppe, die Ärzte in Deutschland. Erst haben sie gestreikt und die Praxen geschlossen. Dann haben sie ihre Not lautstark der Presse geschildert, und jetzt haben sie einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz geschickt und sich über dessen SPD-Parteigenossen Gesundheitsminister Karl Lauterbach beschwert. Der Brief war so vertraulich, dass er in allen Medien gelandet ist. Sie verdienen zu wenig, sagen die Ärzte und bemängeln darüber hinaus noch dies und das. Haben sie recht?

Was sich derzeit in deutschen Arztpraxen abspielt, ist staatlich verordnetes Siechtum, angeordnet von Corona-Karl, der überfordert an einer Gesundheitsreform werkelt und dabei den Kunstfehler vollbringt, die Ärzte, Apotheker und Kassen gleichermassen auf die Palme zu bringen. Der Brief an den Kanzler ist ein Hilferuf, weil sich die Ärzte gefangen fühlen zwischen den Forderungen der Patienten, dem eigenen Anspruch an die medizinische Leistung und den Budgetvorgaben der Kassen. Ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt, der heute in Deutschland einem Kind unter Vollnarkose die Mandeln entfernt, verdient an der Operation weniger als ein Friseur mit dem Föhnen einer Dauerwelle.

Der Ärztelohn ist das Ergebnis einer Deckel-drauf-Politik, von der Lauterbach gar nicht daran denkt, sie zu verändern. Handel, Handwerk und Co. dürfen Preise erhöhen. Niedergelassene Ärzte dürfen das nicht. Wie viel ein Gespräch mit dem Patienten wert ist, wird ihnen staatlich vorgeschrieben. Die Preise dafür haben sich in den letzten dreissig Jahren so entwickelt, dass nicht einmal die Inflation ausgeglichen wird, geschweige denn höhere Personalkosten oder eine gestiegene Energierechnung.

Das gedeckelte Budget hat zur Folge, dass mehr Patienten für den Arzt oder die Ärztin mehr Arbeit, aber nicht mehr Geld bedeuten. Zudem werden im Schnitt gerade einmal 80 Prozent aller Leistungen überhaupt bezahlt. Denn das Budget ist meist schon weit vor Quartalsende erschöpft. Terminprobleme, überfüllte Wartezimmer und lange Wartelisten sind die Folge dieses vermurksten Systems, das sich zu allem Überfluss auch noch durch ständig neue bürokratische Vorschriften hervortut. Im Durchschnitt 61 Tage arbeiten Mediziner nicht am Menschen, sondern an der Akte.

Dies alles geschieht vor dem Hintergrund einer Medizin, die das Leben verlängert, aber Menschen immer seltener heilt, mit der Folge, dass sie im letzten Abschnitt ihres Lebens eine intensive ärztliche Betreuung brauchen. Eine Regierung, die hier nicht grundsätzlich einschreitet, macht sich schuldig durch Unterlassung.