Eine Zeitung versucht einen ihr ideologisch nicht genehmen Politiker abzuschiessen. Dafür gräbt sie in seiner Vergangenheit. Und weil sie anscheinend nichts, aber auch gar nichts Belastendes findet, muss eine 35 Jahre alte, allerdings sehr unschöne Geschichte aus Schülerzeiten herhalten.

In einer besseren Welt wäre so etwas ehrenrührig und geschmacklos und würde auf die Zeitung selbst zurückfallen. Doch die Welt ist, wie sie ist. Und der schmale Grat zwischen notwendiger Recherche im Dienst der Demokratie und Denunziation in machtpolitischer Absicht verleitet Journalisten immer wieder dazu, die Grenze in Richtung Letzterer zu überschreiten.

Wenn der Eindruck nicht vollkommen trügt, scheinen die Wähler in Bayern dieses Spiel zu durchschauen. Hinzu kommt, dass die Anhänger der Freien Wähler, deren Vorsitzender Hubert Aiwanger ist, sich von einer Kampagne der Süddeutschen Zeitung ohnehin kaum beeindrucken lassen dürften. Denn die Fans der Süddeutschen machen ihr Kreuzchen ohnehin lieber bei den Grünen oder der SPD.

Allerdings wird viel davon abhängen, wie Aiwanger in den nächsten Tagen agiert. Eine glaubwürdige Entschuldigung und nachvollziehbare Erklärung werden von ihm erwartet. Das gehört zu den deutschen Politritualen. Man mag davon halten, was man will.

Das bedeutet: Aiwanger ist noch nicht durch und Ministerpräsident Markus Söder ein gefährlicher Partner. Noch kann Aiwanger auf die Loyalität seiner Wähler vertrauen und seine Rolle im bayerischen Machtgefüge. Es wäre ein Zeichen demokratischer Hygiene, wenn man die Wähler über die Person Aiwanger urteilen liesse und keine Politaktivisten im Gewand von Redakteuren.